Am Sonntag, den 24.11. fuhr die FPÖ den dritten Wahlerfolg in Folge ein. Nach der Nationalratswahl und der Wahl in Vorarlberg konnte sie in der Steiermark ihre Stimmen verdoppeln. Die FP erreichte mit 34,8% (plus 17,5%) das beste Ergebnis in der 2. Republik, wobei knapp vor der letzten Wahl der Strache-Skandal schlagend wurde. Die ÖVP stürzte ab (26,8%; - 9,8%). Die SPÖ erreichte in dem von Industriezentren geprägten Land nur mehr 21,4 %(-1,7%). Bei den Arbeitern rangiert die SP nur mehr auf Platz drei nach FPÖ und ÖVP(!). Die mit großen Erwartungen angetretenen Kommunisten erreichten nur 4,4% ( vorher 6%). Aber immerhin reichte es noch für zwei Landtagsmandate. Die Grünen wurden auf 6,2% halbiert. Die kleinen Parteien dürften sicher Stimmen verloren haben, wegen des von den Medien hochgespielten Dreikampfs FP-SP-VP, der dann keiner war.
Neben lokalen Ereignissen (z.B. Ablehnung von Zusammenlegungen im Gesundheitswesen) dürfte die Entscheidung des Bundespräsidenten, nicht den Erstplatzierten Kickl, sondern den amtierenden Bundeskanzler Nehammer mit der Regierungsbildung zu beauftragen, der FPÖ zusätzlich zu diesem Höhenflug verholfen haben. In Österreich war es bisher Usus – wenn auch kein Gesetz -, dass die stimmenstärkste Partei mit der Regierungsbildung beauftragt wird. Van der Bellen befand sich in einer schwierigen Situation. Sowohl SPÖ als auch ÖVP hatten vor der Wahl angekündigt, keine Koalition mit Kickl einzugehen. Der Bundespräsident beauftragte die drei Großen zu Vorkonsultationen, wer mit wem kann.Und als Resultat übertrug er Nehammer die Regierungsbildung. Die beiden Großen zogen dann noch die NEOS dazu, da deren Mehrheit nur hauchdünn ist. Besser wäre sicher gewesen, Kickl die Aufgabe zu übertragen und, nach Ablehnung der Koalition mit der FPÖ durch SPÖ und ÖVP, den Auftrag an den Zweitplatzierten weiterzugeben.
Wut und tiefe Enttäuschung trieben viele ehemaligen Nichtwähler bei allen drei Wahlen zur FP. Eine gesteigerte Wahlbeteiligung war bisher ein Garant für FP-Verluste. Diesmal folgte die Wahlentwicklung dem allgemeinen Rechtstrend.
Enttäuschend, dass weder KPÖ, SPÖ noch Grüne den Rechtsextremismus der FP oder die Involvierung von FP-Spitzenfunktionären in einen Korruptionsskandal in Graz in den Wahlkampf einbrachten. Bei dieser Affäre geht es um ca. 1 Million Steuergelder der Stadt Graz, die offensichtlich für private Zwecke verwendet wurden. Der steirische Spitzenkandidat Kunasek wird dabei von der Staatsanwaltschaft auch als Beschuldigter geführt. Als ein Teil der Grazer FPÖ-Stadtratsfraktion dies aufdeckte, wurde er von Kickl höchstpersönlich aus der Partei entfernt. Parallelen zu Trump und anderen Rechtspolitikern in Europa fallen auf.
Jetzt biedert sich die sterische SPÖ, Parteitagsbeschlüsse mißachtend, zum Mißfallen von Babler den Freiheitlichen als Juniorpartner an. Zur Erleichterung Bablers setzt die FPÖ doch lieber auf eine Koalition mit Kapitalvertretern, sprich der ÖVP.
Fazit aus der Steiermark: höchstwahrscheinlich ein FPÖ-Landeshauptmann und damit in Österreich: vier Regierungsbeteiligungen in den Bundesländern und ein Landeshauptmann für die FPÖ.
Zu denken gibt ein jüngst veröffentlichter Rechtsextremismusbericht des DÖW (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes). 50% der Bevölkerung bejahen die Remigration, 50% wollen keinen muslimischen Nachbarn, viele wollen einen starken Führer und ca. 10% sind als rechtsextrem einzustufen. Man sieht, die FP- Propaganda, diverse Verschwörungstheorien usw. fallen auf fruchtbaren Boden. Auslöser ist sicher auch eine Polykrise. Als Schlagworte seien genannt Teuerung, Wohnen, Migration, Energiepreise, Kriege.
Die Koalitionsverhandler stehen unter enormem Druck. Was sie eint, ist der Ausschluss der FPÖ. Die der ÖVP nahestehende einflussreiche Industriellenvereinigung drängt, ebenso wie diverse Bürgermeister und Landeshauptleute, zur Koalition mit der FPÖ, weil sie darin sicher ihre Interessen besser durchbringen (Steuersenkung, Sozialabbau usw.). Und die Programme von ÖVP und FPÖ decken sich zu 80%.
ÖVP und NEOS repräsentieren Großkapital, Kleinbetriebe und Startups. Und Babler versucht für sein Programm (Kindergrundsicherung, Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer) etwas herauszuholen.
Und dies bei einem erst jüngst bekannt gewordenen riesigen Budgetloch, das die bisherige Regierung (ÖVP-Grüne) bis zuletzt heruntergespielt hat. Babler hat bereits die erste Abfuhr von Nehammer erhalten: Erbschafts- und Vermögenssteuer bedeuten das Ende der Verhandlungen. Für Babler steht viel auf dem Spiel, die zahlreich neu Eingetretenen, vor allem Jugendliche, erwarten sich, dass er liefert. Er hat bereits von linken Wahlkampfauftritten auf staatsmännisch umgestellt.
Die NEOS wiederum haben Bildung als Hauptanliegen in ihrem Programm, ebenso zählen Kürzungen bei den Pensionen zu ihren Absichten.
Fazit: Alle drei müssen liefern, sonst nimmt die Rechtsentwicklung weiter zu. Dabei sind die Wirtschaftsprognosen enttäuschend. Es herrscht praktisch Nullwachstum und Firmenpleiten und Betriebsschließungen häufen sich (Schäffler, Bosch, KTM mit 3 Milliarden Euro Schulden). Und alle drei Parteien geben als Motto aus: kein Weiter so, es muss anders werden.
NATIONALRATSWAHL, 29. September
Das Ergebnis: ÖVP 26,3% (minus 11%), die SPÖ (21,1%) blieb in etwa gleich, FPÖ 28,8% (plus 12,6%). Erstmals in der 2. Republik wurde sie damit stimmenstärkste Partei. Die Grünen 8,3%( minus 5,6%) erhielten die Rechnung für ihre Regierungspolitik. Die NEOS legten mit 9,2% leicht zu. Die KPÖ verdreifachte ihren Stimmenanteil von 0,7% auf 2,4%, verfehlte jedoch den erhofften Einzug ins Parlament deutlich.
Die ÖVP positionierte sich in der Wahlauseinandersetzung als Garant der Stabilität im Land, vor allem in Bezug auf die FPÖ. Nehammer präsentierte sich als ruhender Pol gegen die Chaospolitik der FP. Das half alles nix. Er traf die Aussage: Koalition mit der FPÖ, aber nicht mit Kickl. Wie das zusammengehen soll, ist rätselhaft. In Niederösterreich etwa arbeitet die VP-Landeshauptfrau Mickl-Leitner bedenkenlos mit gestandenen Rechtsextremen in der Landesregierung zusammen (Stichwort Landbauer und die NS—Liederbuchaffäre in seiner schlagenden Burschenschaft). Und die Volkspartei fährt eine zunehmend härtere Linie gegen Migranten, während überhaupt in den Regierungsverhandlungen eine harte Linie auch von der bis dahin kritischen SP zu erkennen ist.
Die VP hat ihre Hochburgen vor allem in ländlichen Raum. Diese gingen an die FPÖ verloren. Unter den Bauern und Bäuerinnen rumort es gewaltig. Es gibt massenweise Austritte aus dem VP-nahen Bauernbund. Die katastrophale Coronapolitik entzweite die Bevölkerung und die FPÖ verstand es, die Kritiker für sich zu vereinnahmen und weiter aufzuhetzen.
Die SPÖ erreichte das schlechteste Wahlergebnis nach 1945. Eigentlich wäre die Themenlage eine Steilvorlage für die Sozialdemokratie gewesen. Sie zerreibt sich jedoch in internen Grabenkämpfen. Angefangen bei der kabarettreifen Wahl des neuen, dem linken Flügel zugehörigen Vorsitzenden (siehe ARSTI, Nr.220) bis zu den ständigen Querschüssen des burgenländischen Landeshauptmannes Doskozil und weiterer Granden. Kurz vor der Wahl musste der SPÖ-Bürgermeister von Linz wegen Intrigen zurücktreten.
Bablers wenige Schwerpunkte im Wahlkampf waren: Kinderarmut, Erbschafts-und Reichensteuer und ein wenig die Neutralität. Mit Steuern auf Vermögen und Erbschaft ist vor allem am Land nichts zugewinnen und liefert eine Steilvorlage für andere Parteien, das Besitzstandsdenken der Mittelschicht zu bedienen. Dessen ungeachtet wären nur 3-4% der Bevölkerung von der Steuer betroffen. Und dem Budget würde es auch nicht schaden.
Mit der linken Thematik läßt sich in Österreich keine Wahl gewinnen. Das führende Medium in Österreich, die KRONENZEITUNG, gehört zu den vehementesten Kritikern Bablers. In Bablers Heimatgemeinde Traiskirchen befindet sich das größte Flüchtlingslager Österreichs. Als Bürgermeister managte er das Zusammenleben dort in vorbildlicher Weise. Das Thema Migration spielte im SP-Wahlkampf erfreulicherweise praktisch keine Rolle. Aber nach der Wahl folgte im Zuge der Verhandlungen eine Kehrtwende hin zu einer scharfen Asylpolitik.
Nach der Wahl geht die Selbstzerstörung der einst so mächtigen Partei weiter. Die Parteichefs von Oberösterreich und Salzburg traten aus privaten(?) Motiven zurück. Es folgte ein weiterer Skandal mit dem exzentrischen, Porsche fahrenden, mit einer italienischen Neofaschistin befreundeten Tiroler SPÖ-Chef . Dieser musste auf Druck der Parteiführung abtreten, bleibt aber im Landtag.
Und an Bablers Posten wird schon gesägt. Fussi, eine schillernde Figur in der Partei, sammelt gerade Unterschriften für sich, um den Chef zu stürzen. Und Doskozil aus dem Burgenland schießt weiter quer.
Die NEOS konnten sich vor die Grünen schieben, was sie zu potenziellen Regierungspartnern macht. Eine Zweierkoalition ist fast nicht tragfähig und von den Grünen hat die ÖVP die Nase voll. Nehammer versuchte sich noch vor der Wahl von den Grünen zu distanzieren, indem er ihre Klimapolitik scharf kritisierte und eine Wende zu Verbrennern in Aussicht stellte. Etwas Ähnliches in punkto Grüne gilt für Wien, wo eine rot-grüne Koalition durch SPÖ und NEOS ersetzt wurde.
Die NEOS stehen für radikale Veränderungen, wie deren Chefin in den gefühlt hunderten Fernsehdiskussionen immer wieder betonte. Was damit gemeint sei, blieb vage, außer bei der Bildungspolitik und bei den Pensionskürzungen. Die NEOS vertreten die Aufgabe der Neutralität, eine massive Aufrüstung, die Teilnahme an und den Aufbau einer starken Euroarmee in Zusammenarbeit mit der NATO und ein absolutes, kritikloses Ja zu einer imperialistischen EU. Das nennt sich dann „Ja zu Europa“. Deren Hauptklientel sind die städtischen Mittelschichten, KMUs, Ich-AGs, Startups usw. In den Gemeinden spielen sie durchaus eine positiv-kritische Rolle gegen eingefahrene, verfestigte Politikstrukturen der Etablierten, meist der ÖVP.
Das Ergebnis der Grünen war zu erwarten.In der Regierung konnten sie zwar in der Klimapolitik beachtliche Erfolge erzielen (Stichwort: Klimaticket, CO2-Besteuerung mit Ausgleichszahlungen, Solarförderung etc.), ebenso erreichte die Justizministerin Dadic einige Reformen. Für die heilige Kuh Klima schluckten sie fast alles, was die Vertreter der Kapitalfraktion ÖVP auf den Tisch legten.
Als Beispiele stehen dafür eine fehlende Mietobergrenze für alle Wohnungen, enorme Aufrüstung, Beteiligung an SkyShield, Erleichterungen für Konzerne, ungeheure Coronazahlungen an Großfirmen, ein fehlender Preisstopp für Energie. Viele dieser Maßnahmen führten zeitweise zu einer Teuerung von 9 Prozent.
Eine kürzlich veröffentlichte Studie eines renommierten Institutes besagt, dass während der letzten zwei Regierungsperioden (ÖVP-FPÖ, ÖVP-Grüne) 70% der Bevölkerung links liegengelassen wurde. Besonders für das untere Viertel wurde das Leben spürbar teurer, so dass nicht wenige im Winter überlegen müssen, ob sie heizen oder sich genügend Essen besorgen. Die Caritas nennt für das Bundesland Salzburg circa 70.000 Betroffene.
Die Enttäuschung vieler Grünwähler verhalf in Wien der SPÖ sogar zu einem leichten Plus.
Die KPÖ konnte, wie schon erwähnt, ihren Stimmenanteil mehr als verdreifachen und das beste Resultat seit 1960 erreichen. Viele, vor allem auch junge Mitglieder und Sympathisanten, führten einen engagierten Wahlkampf auf finanzieller Sparflamme. Der Spitzenkandidat Tobias Schweiger machte eine gute Figur bei diversen Talks im Fernsehen, er wirkte kompetent und redegewandt. Keine Überraschung, kommt er doch, wie der Salzburger Vizebürgermeister Dankl, von den Grünen. Die Schwerpunkte der Partei waren: leistbares Wohnen, Pflege, Helfen statt kassieren, Teuerung, die Klimakrise („Klima schützen statt Konzerne!“) und Neutralität. In der Stellung zu den Konfliktherden Ukraine und Gaza tut sich die KPÖ schwer mit konkreten Aussagen. Im Gegensatz zum Chef der Europäischen Linken, Walter Baier (ehemaliger KPÖ-Chef) konnte sich die Partei zu keinen eindeutigen Stellungnahmen zum Gazakonflikt und zur Ukraine durchringen, was bei einem halbherzig genehmigten Stand zur Palästinasolidarität am Volksstimmefest auffiel. Walter Baier forderte anlässlich der EU-Wahl einen Boykott Israels.
Das Ergebnis kommentierten viele der Befragten mit Zweckoptimismus, obwohl doch die Enttäuschung über das Nichterreichen der lang ersehnten Vertretung im Parlament spürbar war. Hervorzuheben sind die guten Ergebnisse in der Stadt Salzburg und in einigen Wiener Bezirken, was für die kommende Wien-Wahl Hoffnung macht. Eher enttäuschend die Ergebnisse in Graz und der Steiermark. Der Tenor: weiter wie bisher mit Beratung und Hilfe bei den Menschen, d.h. Arbeit an der Basis und weiterer Parteiaufbau.
Der Erfolg der FPÖ
Zur FPÖ folgen nachstehend einige Anmerkungen, die ich als Erklärung für das Anwachsen der Rechtsaußenpartei formuliert habe:
Der (un)aufhaltsame Aufstieg des Herbert K.
Bemerkenswert ist, dass die Wahlbeteiligung erneut anstieg. D.h. die FPÖ konnte viele Nichtwähler dazu bewegen, zur Wahl zu gehen, sie konnte die Unzufriedenheit und die Enttäuschung für sich ausnützen.
Die letzten Jahre waren gekennzeichnet von schnellen Umbrüchen, Verunsicherungen, Katastrophen, Kriegen, politischen Skandalen und anderen Unabwägbarkeiten. Der Skandal um Ex-Kanzler Kurz hat zudem viele fanatische Wähler desselben zur FPÖ zurückkehren lassen.
Die grüne Umweltministerin machte sich viele, vor allem Landbewohner, zum Feind, obwohl sie meist sinnvolle Maßnahmen beabsichtigte (Stichwort: CO2-Bepreisung).
Die Teuerung lag zeitweise bei 9% . Die Energiekosten für Strom, Benzin usw. stiegen enorm. Wohnen wurde sehr teuer, im Jahr der Teuerung wurden die Mieten bis zu viermal von privaten Konzernen erhöht. Die Regierung weigerte sich, Mietstopp und Strompreisdeckel einzuführen. Das bewirkte eine Verarmung in Teilen der Gesellschaft.
Der Mittelstand verliert an Vertrauen in die Politik.Das Besitzsicherungsdenken ist bedroht, Gespartes verliert an Wert. Und die Konjunkturaussichten versprechen das zweite Jahr in Folge eine Rezession, die Aussichten für die nächsten Jahre sind nicht besser.
Das sollte normalerweise eine Steilvorlage für die SPÖ sein. Aber diese zerfleischt sich in Grabenkämpfen und Querschüssen von Doskuzil bis Dornauer. Bablers richtige linke Ambitionen mit Reichenbesteuerung und Erbschaftssteuer und 32-Stunden-Woche finden Ablehnung.
Die von der ÖVP propagierte und plakatierte Mitte, die Sicherheit und Stabilität vermitteln soll, ist nicht mehr glaubhaft.
Kickl treibt sie alle vor sich her. Gerade in den mit Emotionen besetzten Fragen der Migration verschärfen sowohl ÖVP, als auch NEOS und teilweise die Grünen die Tonlage und die Forderungen. Hier punktet die FPÖ enorm. Wer geht schon zum Schmiedl, wenn er den Schmied haben kann? Das FP-Wahlprogramm trägt die Überschrift „Festung Österreich“. Kickl will, so wie Orban, die Einwanderung auf Null begrenzen, Menschenrechte und Verfassung hin oder her. Orban und Kickl haben vor kurzem eine eigene Europafraktion gebildet. Der Slogan „Österreich zuerst“ kommt gut an. Die FP-Anhänger haben als Feindbild u.a. den Islam.
In diesen Zusammenhang passt gut das Feindbild EU. Von Brüssel kommt nur Negatives, wir sind Nettozahler, uns werden rigorose Gesetze diktiert. Dagegen setzen die Rechtsradikalen die Idylle Österreich. Natürlich ohne Ausländer (Remigration!!!)
Die schnellen Veränderungen der Globalisierung wirken für viele bedrohlich. Dagegen stellt die FPÖ Heimatidylle mit Brauchtum und intakter Familie.
Kickl spaltet ganz bewusst die Gesellschaft in heimatverbundene, patriotische Österreicher und Minderheiten. Die Hetze gegen „die Ausländer“, gegen Andersgeschlechtliche, gegen linke Gutmenschen, gegen Klimaschützer (viele seiner Anhänger leugnen die Klimakrise) eint die Anhängerschaft: wir gegen die ANDEREN. Dabei schwingt die grölende Menge im Bierzelt Österreichfahnen, während die Führungselite der FP im Sumpf der deutschnationalen schlagenden Burschenschaften von Großdeutschland träumt, aber das ist derzeit nicht opportun.
Wie erwähnt war die Wahlbeteiligung hoch. Die Kommentatoren schließen daraus einen dringenden Wunsch nach Veränderung. Das würde ich bezweifeln. Ich meine, viele sehnen sich zurück nach ruhigeren, strukturierten Zeiten.
Der Spitzenkandidat war laut Analysen nicht ausschlaggebendes Motiv für den Wahlerfolg, vielmehr die Empörung und Enttäuschung über die bisherige Regierungsarbeit.
Ein wichtiges Plus für die extreme Rechte war das Hervorheben der Neutralität, die in Österreich sehr stark verankert ist. Während die anderen Parteien mit ihrer Salamitaktik die Neutralität aushöhlen, gibt sich die FPÖ aus rein taktischen Gründen als deren Garant.
Im Ukrainekrieg kritisiert die FPÖ die Haltung der Regierung und setzt auf strikte Neutralität, vor allem die Forderung nach Wiederaufnahme der vollständigen Gaslieferung kommt bei der Bevölkerung gut an. Da stört die offensichtliche Nähe zu Putins Partei wenig.
Enorm wichtig ist die Tatsache, dass die FPÖ das Internet und die sozialen Medien beherrscht. Sie hat ein eigenes TV-Netz aufgebaut. Enorm viele User besuchen die Seiten der Partei. Die anderen Parteien kommen an die Einschaltquoten bei weitem nicht heran.
Die Hetze gegen DAS Establishment kommt bei den Wählern gut an. Kickl gelingt es zu vermitteln, dass er einer der IHREN ist. Obwohl auch Teil der Politikerkaste, kann er den Wählern vermitteln: ich bin einer von EUCH.
Er testet aus, wie weit er gehen kann mit seinen Formulierungen in Anlehnung an die NS-Ideologie: Volkskanzler, Systemparteien, Forderung nach Remigration. Während in Deutschland dieses Wort eine Empörung auslöste, gibt es in Österreich nur vereinzelte Kritik. Kickl drohte in diversen Bierzelten mit Fahndungslisten seiner Gegner.
Die vielen internen Skandale, Unterschlagungen, die Nähe zu rechtsextremen Gruppen, die ungezählten Einzelfälle von NS-nahen Ideologieaussprüchen führender Funktionäre störten die Wähler offensichtlich nicht.
Vor allem dort, wo wenig Ausländer wohnen, wie am Land, gewinnt die FP massiv. In Wien etwa, wo der überwiegende Teil der Migranten/ Ausländer wohnt, legt die SPÖ sogar zu und die FP-Gewinne bleiben unter dem Trend.
Die deftigen Ausdrücke im Bierzelt und die brutalen, vorgeschlagenen Maßnahmen gegen ausländische Mitbürger im FP-Wahlprogramm, die den Menschenrechten und der Verfassung widersprechen, führen zu selten zum Aufschrei in der Presse und im Rundfunk. Lediglich ein Schauspieler übte daran heftige Kritik in einer Fernsehdiskussion.
Vorbild Orban. So spricht der FPÖ-Publikumsrat Westenthaler kurz nach der Wahl offen von der Umfärbung und Umstrukturierung des ORF.
Eine katastrophale Coronapolitik hat die Bevölkerung tief gespalten (Stichwort: Impfzwang, der nie ausgeführt wurde). Kickl hat die vielen Kritiker, Leugner, und Verschwörungstheoretiker geschickt für sich vereinnahmt. So hatten zwei covidkritische Listen keine Chance bei der Nationalratswahl.
Analyse: Die Wählergruppe in der die Rechten am erfolgreichsten waren, waren die 35-55 Jährigen. Diesmal hat die FP, entgegen dem Trend vorheriger Wahlen, bei den Frauen stark zulegen können. Auch wählte wieder ein Großteil der Arbeiter die FPÖ.
Am wenigsten konnte sie bei älteren Semestern dazugewinnen. Und auch die Jugendlichen entschieden sich eher für die NEOS, die Grünen und zum Teil für die SP.
Wie kann man der FPÖ wirksam entgegentreten? Als Beispiel sei genannt, in der Stadt Salzburg hat die FPÖ dank eines engagierten KPÖ-Teams und eines charismatischen Kandidaten gar nicht zugelegt. Glaubhaft waren die Kommunisten bei den Problemen der Menschen in den vernachlässigten Stadtteilen und so konnten sie auch FP-Wähler für sich gewinnen (Stichwort Wohnen). Dieses Modell ist aber wahrscheinlich eher auf kommunaler und landespolitischer Ebene anzuwenden.
Nach der Wahl:
In Österreich war es bisher Konsens, dass die stärkste Partei den Nationalratspräsidenten stellt, d.h. jetzt erstmals die FPÖ. Sie nominierte Walter Rosenkranz, einen deutschnationalen, schlagenden Burschenschafter. Er hatte einen NS-Richter in einem Interview als rechtschaffen bezeichnet. Nur die Grünen lehnten diesen Herren entschieden und geschlossen ab. Die ÖVP und die NEOS stimmten überwiegend für ihn. Die SPÖ kritisierte zwar Rosenkranz, konnte sich aber nicht dazu durchringen, ihn geschlossen abzulehnen. Die Angst vor dem Verlust der 3. Nationalratspräsidentin überwog.
In seiner Antrittsrede kam dann das übliche Händereichen-Gesülze. Tage darauf lud er Ungarns Premier Orban ohne Wissen der anderen Parteien ins Parlament ein. Anschließend folgte ein Treffen mit Freund Kickl. Beide unterzeichneten ein Zusammenarbeitsprotokoll im Namen beider Republiken, das von allen anderen Parteien scharf kritisiert wurde. Am Gedenktag der Novemberpogrome wollte Rosenkranz am jüdischen Denkmal in Wien einen Kranz niederlegen. Dies wurde ihm jedoch von den jüdischen Studenten verwehrt.
Aktuell gibt es das Problem mit dem Wiedergutmachungsfond der Republik an jüdischen Bürgern, bei dem der Nationalratspräsident eigentlich den Vorsitz hätte. Nach Protesten jüdischer Organisationen wird er wahrscheinlich auf den Vorsitz verzichten.