Aggressive Militärpolitik und Waffendeals erhöhen Kriegsgefahr
Die recherchierten Fakten und Zahlen dieses Beitrags werden überschattet von der Tatsache, dass sich die Welt seit Beginn dieses Jahres in einem bisher nie dagewesenen Ausmaß in einem „Bio-Weltkrieg“ neuer Art befindet gegen einen heimtückischen Gegner. Der Kampf, der von den Ländern überall gegen das pandemische Corona-Virus mehr oder weniger erfolgreich geführt wird, beeinträchtigt erheblich das menschliche Zusammenleben, die allgemeine Bewegungsfreiheit und wird zu zusätzlichen Milliardenkosten für Staatshaushalte und ökonomischen Verlusten in vergleichbaren Dimensionen führen. Die Lebenshaltungskosten steigen merklich an, besonders bei Lebensmitteln. Es gibt Millionen Arbeitslose mehr. Es wird voraussichtlich auch die im Jahr 2019 noch stark boomende Rüstungsindustrie treffen, die eine stark global vernetzte ist und Löcher in die Militäretats der Länder reißen. Denn am ehesten wird man hier Reserven abziehen können aus einem Bereich, der vom Friedensstandpunkt aus ohnehin der überflüssigste, unnützeste und sozial schädlichste auf der Welt ist. Die Brutto-Inlandsprodukte (BIP) vieler Länder dürften unter Pandemie-Bedingungen sinken, an denen sich z. B. das 2-Prozent-Rüstungsziel der NATO-Staaten ausrichtet. Noch ist von drastischen Einbrüchen nicht die Rede, im Gegenteil.
Weniger Militärausgaben befürchtet
Aus Kreisen von Sicherheitsexperten, Verteidigungspolitikern und Militärsachverständigen sind gleichwohl warnende Stimmen zu hören wie von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, die zu bedenken gibt: „Die schwierigen sozioökonomischen Folgen [der Viruskrise] könnten europäische Regierungen dazu verleiten, der sofortigen wirtschaftlichen Hilfe den Vorrang vor langfristigen Sicherheits- und Verteidigungsüberlegungen einzuräumen“. Es sei ein Kardinalfehler bei der letzten Krise (gemeint ist die von 2008/09) gewesen, unkoordinierte Kürzungen der nationalen Verteidigung vorzunehmen, statt sich von „harmonisierenden europäischen Entscheidungen“ leiten zu lassen. „Angesichts der sich abzeichnenden Haushaltskrise könnten die Regierungen versucht sein, genauso zu reagieren“ (Schleswig Holsteinische Zeitung vom 27.4.2020). NATO-Generalsekretär Jens Stoltenbergs Befürchtungen gehen in eine ähnliche Richtung, der wirtschaftliche Abschwung könnte einige NATO-Staaten angreifbarer und empfänglicher machen, für den Verkauf kritischer Infrastruktur – langfristige Auswirkungen auf die Sicherheit der Länder nicht ausgeschlossen. „Und natürlich wird es Konsequenzen für den Haushalt geben“, räumte Stoltenberg bei einem Treffen der NATO-Verteidigungsminister ein (zit. nach SHZ, ebd.). Die NATO hat bekanntlich bei ihrem Treffen in Wales 2014 für ihre Mitglieder bei der Steigerung der Verteidigungsanstrengungen die 2-Prozent-Vorgabe vom jeweiligen nationalen BIP ausgegeben, dem es sich bis zum Jahr 2024 anzunähern gelte. Die 29 NATO-Mitglieder befinden sich auf unterschiedlichen Levels, dies umzusetzen. So haben Frankreich und Großbritannien das Ziel mit 1,9 und 2,1 % praktisch schon erreicht bzw. übererfüllt, während Deutschland mit einem Wert von zuletzt 1,38 % noch deutlich hinterherhinkt, was auch immer wieder ein Zankapfel im Streit mit der US-Regierung unter Präsident Donald Trump ist, der den Deutschen vorwirft, zu wenig für Militär auszugeben. Doch gab es diesbezüglich auch schon unter der Obama-Administration „sanfte“ Ermahnungen an die Deutschen. Dabei zahlt Berlin inzwischen mit etwas über 16 % genauso viel für den Unterhalt der NATO wie die USA. Die zu erwartenden wirtschaftlichen Corona-Einbrüche dürften hier zu weiterer Verzögerung und Nichterfüllung des NATO-Solls führen, wenn man an die schwer von Corona gebeutelten Länder Großbritannien, Spanien, Italien oder auch die Türkei denkt.
Die neuen Zahlen gemäß dem SIPRI-Jahrbuch 2020 für 2019
Die Befürchtungen, die „wichtigen“ Staaten der Welt könnten am Ausgabenast für Militär verhungern, sind freilich wie die neue Studie des Stockholmer Friedensforschungs-Instituts SIPRI in seinem Jahrbuch vom April 2020 belegt, weitgehend aus der Luft gegriffen und reine Präventiv-Propaganda mit Lobby-Steilvorlage für die Rüstungsindustrie. Es gibt nahezu überall bei Militärausgaben und Rüstungsex- wie importen zum Teil erhebliche Steigerungen, auch und gerade über längere Zeiträume betrachtet. Da es hier zum Teil um gegeneinander feindlich eingestellte Länder geht (USA/NATO versus Russland; USA vs. China und Nordkorea – und umgekehrt – China vs. Indien, Indien vs. Pakistan, Saudi-Arabien und Israel vs. Iran), muss hier maßstäblich von einem im Gang befindlichen neuen Rüstungswettlauf gesprochen werden, ähnlich wie schon im Kalten Krieg mit anderen Vorzeichen. Schon weit weniger Freund-Feind-Konstellationen reichten aus, um den Ersten Weltkrieg auszulösen. .
Die USA bestreiten demnach mit 38 % den Löwenanteil bei den weltweiten Militärausgaben von aktuell 1,973 Billionen USD, was nochmal eine Steigerung zu 2018 von 3,6 % bedeutet. Davon entfällt in den USA viel auf Personalkosten, so wurden 16.000 neue Militärangehörige eingestellt. Ein großer Flugzeugträger – die USA verfügen davon über elf – hat eine Besatzung von ca. 5.500 Mann. Ein großer US-Marinekampfverband umfasst ca. 30 bis 40 Kriegsschiffe, davon sind meist zwei Flugzeugträger. Ein einziger solcher Kampfverband dürfte allein schon fast ein Drittel der personellen Bundeswehrstärke (ca. 185.000 Mann und Frau) betragen. Mit großen Abständen folgen China mit 14 %, Indien mit 3,7, Russland mit 3,4, Saudi-Arabien mit 3,2, Frankreich und Deutschland gleichauf mit je 2,6 Prozent. In absoluten Zahlen sind das für die USA 732 Mrd. USD (etwa der doppelte Staatshaushalt der BRD!), allein die Steigerung zu 2018 entspricht dabei der Summe des Militäretats Deutschlands. Gefolgt von China mit einer Steigerung zu 2018 um 5 % und absolut 261 Mrd. USD. Seit 1994 erhöht China im Gleichschritt mit seinem gewaltigen Wirtschaftswachstum seine Militärausgaben kontinuierlich, seit 2010 um sage und schreibe 85 Prozent. Laut Haushaltsbericht der Regierung, der zu Beginn der Generaltagung des Volkskongresses vorgelegt wurde, soll der Rüstungsetat in diesem Jahr um weitere 6,6 Prozent erhöht werden (ZDF text vom 22.5.2020), der damit höher als das erwartete Wirtschaftswachstum ausfällt, dem ohnehin durch Corona bedingt starke Einbußen drohen. China baut derzeit massiv seine Pazifikflotte aus und hat einen zweiten eigenen Flugzeugträger von bisher drei Einheiten im Bau (einer wurde von der Ukraine übernommen). China will im Streitkorridor des Chinesischen Meers um verschiedene Inselgruppen, auf die es Hoheitsansprüche erhebt, mit Taiwan und den USA verstärkte Präsenz zeigen. Seine gesamte konventionelle Kriegsflotte ist numerisch jetzt schon stärker als die der US-Pazifikflotte. Der Anteil der Rüstungsausgaben am nationalen BIP beträgt 1,9 %. Um das Bild abzurinden entfallen insgesamt 53 Milliarden Dollar an Militärausgaben auf Lateinamerika (davon die Hälfte auf Brasilien), 42 Milliarden auf Länder in Afrika und 41 Milliarden auf Staaten in Südostasien.
Waffenhandel – Waffenex-/importe
Die fünf größten Waffenexporteure weltweit im Durchschnitt des Zeitraums von 2014-18 mit zusammen 75 Prozent Anteil am Waffentransfer sind: USA 36, Russland 21, Frankreich 6,8, Deutschland 6,4, China 5,2 Prozent. Die fünf größten Waffen-Importeure im selben Zeitraum mit einem Weltanteil von zusammen 35 Prozent sind: Saudi-Arabien, Indien, Ägypten, Australien, Algerien. Für den Raum Asien und Ozeanien beträgt der weltweite Importanteil (2014-18) rund 40 Prozent, der sich auf die Länder Indonesien, Australien, China, Südkorea und Vietnam verteilt. Im Mittleren Osten betrug die Steigerung bei der Aufrüstung (2014-18) 87 Prozent im Vergleich zum Zeitraum 2009-13. Daran beträgt der Anteil der USA-Exporte 52 Prozent. Saudi-Arabien verbuchte von 2014-18 eine Importsteigerung gegenüber 2009-13 von 192 Prozent. Seit 1950 sind die USA und die Sowjetunion/Russland die größten Waffenexporteure. Die USA lieferten seither Waffen an 98 Staaten, ihr Abstand zu anderen Staaten, vornehmlich zu SU/Russland, vergrößerte sich ständig. Der globale Waffenhandel mit Panzern, Fregatten, U-Booten, Kampfjets und anderem schwerem Kriegsgerät expandiert seit 2003 beständig. Gegenüber 2014-18 (s. o.) beläuft sich die Steigerung für den Zeitraum 2009-13 auf plus 7,8 Prozent, für die Jahre 2004-08 sogar 32 Prozent. Bei der Atomwaffenrüstung erneuern sowohl die USA als auch Russland ihre Arsenale. D. h. Altes wird ausrangiert, Neues modernisiert und neu entwickelt, dabei kommt man zwar mit weniger, dafür aber effektivierten Sprengköpfen aus. Beide Länder besitzen weltweit zusammen den Löwenanteil von ca. 92 Prozent aller Atomwaffen. Deren Zahl (Stand 2019) verringerte sich gegenüber 2018 von 14.465 auf jetzt 13.865 Sprengköpfe = minus 4 Prozent. Die numerische Verringerung ist zwar eine Vorgabe des Atomabkommens „New START“, aber der Schein trügt, da bei den Abgängen vor allem die veralteten Sprengköpfe zu Buche schlagen und die Abrüstung langsamer verläuft als vor 10 Jahren. Die USA zogen sich zudem sowohl aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran als auch aus dem INF-Vertrag mit Russland zurück. Neues ist nicht in Sicht. Der SIPRI-Abrüstungsexperte Shannon Kile spricht deshalb auch von einem „negativen Trend“. (Alle Zahlenangaben dieses Abschnitts laut SIPRI/ZDF).
Türkei unterläuft UN-Embargo
Unlängst sorgte die Entdeckung durch „report München“ und andere Medien, dass die Türkei mit ihren neuen A400M-Militärtransportern von Airbus Militärmaterial und Söldner-Truppen aus Syrien zur libyschen Westküste zum Stützpunkt Misrata der libyschen West-Allianz befördert, im Reichstag für Diskussion und Protest. Mit den Transporten bricht die Türkei das verhängte UN-Embargo über das nordafrikanische Bürgerkriegsland, an dessen Überwachung durch die Mission „IRINI“ die Bundesmarine mit einem Überwachungsflugzeug des Typs „Orion“ und der Fregatte „Hamburg“ beteiligt ist. Airbus-Techniker warten vor Ort im Stützpunkt Kayseri die türkischen Maschinen und halten sie einsatzfähig. Der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, Arnold Wallraff, spricht über den Vorgang von „Absurdistan“. Diese Unterstützung müsse sofort aufhören, da sie ebenso wie die Transporte gegen das Embargo verstoße. Airbus will sich an die genehmigte Lieferung von insgesamt 10 Maschinen des derzeit modernsten viermotorigen Militärtransporters der Welt halten, ebenso an den Wartungsvertrag. Was die Türkei mit den Maschinen mache, sei nicht Sache von Airbus. Ein im Grunde skandalöser Vorgang. Besondere Brisanz: Die deutsche Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer sitzt im Aufsichtsrat von Occra, der Beschaffungsorganisation mit Sitz in Bonn für die Abwicklung von Verkauf und Wartung des A400M. Ihr Ministerium wie auch das Auswärtige Amt behaupten, keine über die offiziell aus den Medien bekannten Fakten hinaus gehende Erkenntnisse des Vorgangs zu verfügen. Die Linke-Abgeordnete Sevim Dagdalen forderte deshalb den sofortigen Stopp der Rüstungskooperation von Airbus mit der Türkei und einige SPD-Bundestagsabgeordnete verlangen eine Änderung der Außenwirtschaftsgesetze.
Deutschlands Rüstungsvormarsch
Deutschland gab nach SIPRI im Vergleich zu 2018 im vergangenen Jahr 10 % mehr für die Bundeswehr aus und liegt aktuell bei 49,3 Mrd. Euro. Angestrebt werden bis 2024 ca. 58 bis 59 Milliarden. Russland, mit 65,1 Mrd. USD (Rang 4) = 4 % vom BIP, ist wieder verstärkt im Fadenkreuz der NATO als Gegner und Feind. Deutschlands Marine und Luftwaffe stehen vor weiterer Auf- und Neurüstung. Ein Vertrag mit dem holländischen Werftenkonsortium Damen Shipyards Group hat beim Auftrag für den Bau von zunächst vier (von sechs) Mehrzweckkampfschiffen der Klasse MKS 180 (größer als die bisherigen Fregatten) durch Blom + Voss als Teil der Lürssen-Gruppe federführend den Zuschlag erhalten mit einem Umfang von zunächst 5,27 Mrd. Euro. Was als europäische Ausschreibung bei den beiden deutschen Marinebau-Werftkonsortien German Naval Shipyards und ThyssenKrupp Marine Systems TKMS zu heftiger Kritik und Verstimmung führte. Inzwischen wird hier im „nationalen Interesse“ eine Großfusion zwischen beiden angestrebt mit Primärzugriff auf künftige nationale Projekte. Bei der Luftwaffe gab es Streit und Uneinigkeit. über einen Nachfolger für den in die Jahre gekommen Tornado-Atombomber, dem seit den 80er Jahren langlebigen „Arbeitspferd“ in der Luft der Bundeswehr in vielen Mehrzweck-Varianten bis zum in Nahost von Jordanien aus eingesetzten Aufklärer mit sechs Maschinen über syrischem Staatsgebiet, deren Auftrag mit der Vertreibung des IS eigentlich inzwischen erfüllt sein sollte. Zusammen mit Frankreich und Spanien bastelt Deutschland an einem neuen Luftverteidigungs-Konzept mit Namen FCAS (Flying Combat Air System) mit den Komponenten Kampfjet (bisher nur als Mustermodell), bewaffneten Drohnen und Raketen. Dieses soll aber frühestens 2040 bereitstehen. Solange braucht man für einen Übergang, eine „Brückentechnologie“ wie das die CDU-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer fachkundig nennt, die mit wenig Fortune in der Männerdomäne ähnlich ihrer wenig geliebten Vorgängerin von der Leyen schon ankündigte, ihr Amt nur noch bis zum Ende der Legislatur auszuüben. Die durch die jetzt ab 2024 wegen Überalterung (ab 2030 unwirtschaftlich und nicht mehr sicher) zu erwartenden Tornado-Ausfälle (die NATO-Länder mustern ihn bereits jetzt aus) entstehende Lücke, wird nach viel Kontroverse ausgefüllt werden durch die Komponenten Eurofighter und den zweistrahligen US-Kampfjet F-18 von Boeing, einer Entwicklung der 70er Jahre, die in der US-Air-Force vor der Ausmusterung steht und nur noch exportiert wird, was auch unklare Perspektiven hinsichtlich Wartung und Ersatzteilen eröffnet.
Luftwaffe
Als Tornado-Ersatz angeschafft werden sollen 93 weitere Eurofighter (EF) vom Hersteller Airbus sowie 45 F-18-Bomber aus den USA. Zur Freude Donald Trumps, dem die Bundesregierung im Streit um die Vorgaben der NATO-Aufrüstung zusicherte, mehr Waffen in den USA zu kaufen. Das Problem dabei sind die Zertifizierungen als Atom-Bomber für die modernisierte US-Atombombe B61-12 (seit 2017 einsatzbereit), die bei der F-18 schneller geschehen kann als beim EF, wo sie erst für 2030 erwartet wird. Pannen und Skandale haben bei den Luftwaffenbeschaffungen der Bundeswehr Tradition. Man denke nur zurück an das Desaster mit dem Starfighter-Kampfjet in den 1960er bis 1980er Jahren. Von Schmiergeldzahlungen des US-Flugzeugbauers Lockheed an den deutschen CSU-Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß war die Rede, die Luftwaffe verlor von über 900 in den USA gekauften „Sternenkämpfern“ über 200 Maschinen allein durch Abstürze und mehr als 100 Kampfpiloten. Das technisch unausgereifte Flugzeug, das die Piloten überforderte, erhielt bald den Beinamen „Witwenmacher“.
Nukleare Teilhabe
Ab 1983 wurde in Zusammenarbeit mit Großbritannien, Spanien und Italien der Jäger 90 entwickelt, Vorläufer-Modell des Eurofighters, das bis dahin teuerste Rüstungseinzelprojekt der Bundeswehr mit einem Stückpreis von umgerechnet 33 Mio. Euro. Die folgende Neuentwicklung EF, nach jahrelanger Verzögerung ab 2004 einsatzfähig, sollte ein Vielfaches davon kosten mit 93,5 Mio. Euro pro Stück. Der anfängliche Bauauftrag für .250 Maschinen wurde deshalb reduziert auf nur noch 140, die heute bei Luftwaffe, Marine und Heer Dienst tun. Tornado, EF und F-18 sollen das Rückgrat der deutschen Atombomberflotte sein, die im Zuge der Nuklearteilhabe (d. h. Bomben von den USA unter deren Verwahrung und Freigabekontrolle) im Kriegsfall Einsätze mit den 20 Bomben fliegen soll, eine lediglich symbolische Abschreckungsmacht. Stationiert sind sie als Jabo-Geschwader 33 auf dem US-amerikanisch-deutschen Fliegerhorst Büchel in der Ost-Eifel südlich von Bonn. Sie sind ein permanenter Anstoß für Proteste und Aktionen des zivilen Ungehorsams der Friedens-bewegung (Eindringen auf Gelände, Blockaden) und sorgen neuerdings wieder für Uneinigkeit darüber zwischen Union und SPD, von der Teile die nukleare Teilhabe beenden wollen. Die Unions-Heuchelei geht dabei soweit zu sagen, dass auch sie für eine „atomwaffenfreie Vision“ eintrete, doch sei dies gegenwärtig und bis auf weiteres unrealistisch und sei nukleare Abschreckung darum weiter nötig.
Neue Waffen und Kooperationen weltweit
Im Juni meldete Israel den erfolgreichen Test neuer ballistischer Raketen mit einer angegebenen Reichweite von 400 Kilometern. Das staatliche Rüstungsunternehmen „Israel Aerospace Industries (IAI)“ teilte mit, dass der Test des Artillerie-Langstreckensystems „Lora“ auf offener See vorgenommen worden sei. Der amtierende Präsident Netanjahu schwärmte von einer „guten Nachricht für die Bürger Israels“ und einer schlechten für die „Feinde Israels“. Es ist klar, wogegen sich diese neuen Waffen richten sollen: gegen Ziele in Syrien und im Iran.
Ein Novum stellten im August erstmalig veranstaltete gemeinsame Luftmanöver von israelischen F-16-Kampfjets und Eurofightern der deutschen Luftwaffe dar. Gemeinsam überflog man als „Zeichen am Himmel“ in Ehren-Formation im Tiefflug die KZ-Gedenkstätte in Dachau. An den folgenden Tagen wurden ausgehend vom Luftwaffen-Fliegerhost Nörvenich im Rheinland Luftkampfübungen der deutsch-israelischen Staffel abgehalten bei Tag und Nacht. Die israelische Militärabordnung brachte ihr gesamtes technisches Wartungspersonal samt Ersatzteilen mit, da deutsche Bundeswehr-Techniker damit nicht vertraut sind. Wehrmutstropfen am Rande bei der allseits von Politikern beider Länder gelobten neuen Kooperation, der deutsches Pannenmilitär demonstrierte, war der technische Defekt eines beteiligten Eurofighters, der zum Stützpunkt in Fürstenfeldbruck zurückkehren musste und dort unbeschädigt notlandete. 2017 hatten sechs deutsche Eurofighter-Kampfjets erstmals im Rahmen eines gemischten NATO-Luftwaffenverbandes aus US-Amerikanern, Franzosen, Polen, Italienern und Griechen am schon öfter abgehaltenen Strategie-Manöver „Blue Flag“ über der südlichen Negevwüste beim Stützpunkt Ovla bei Eilat teilgenommen. Um israelische Westintegration militärisch zu bekräftigen und Ausrüstung und Strategie abzustimmen. Bei nicht wenigen, vor allem älteren israelischen Einwohnern dürfte der Anblick des Eisernen Kreuzes der deutschen Flugzeuge gemischte Gefühle hervorgerufen haben.
Aus den USA kam Mitte Mai die Nachricht über die Neuentwicklung einer Hyperschallrakete durch die US-Streitkräfte, die drei Mal schneller als die schnellsten Raketen anderer Staaten wie Russland oder China sein soll. Der Waffenfanatiker, US-Präsident Trump, nannte sie sogleich sinnigerweise die „Super-Duper-Rakete“. Die russische Armee hat Ende Dezember 2019 ihre neue Hyperschallrakete vom Typ „Avantgarde“ in Dienst gestellt, die 20 Mal so schnell wie der Schall (Mach 1 = rd. 1.000 km/h) fliegen soll.
Weltraum als militärische Einflusszone
Die USA, Russland und auch China arbeiten fieberhaft an nahezu unverwundbaren orbital-gestützten Lenksystemen per Militärsatelliten im Weltraum. Ziel reiner Weltraum-Waffen ist es, fremde (feindliche) Satelliten zu stören, indem sie diese elektromagnetisch beeinflussen und in ihre Datensoftware eingreifen. Satelliten, die für die Telekommunikation und Navigation auf der Erde nötig sind, stellen ein potenzielles „Sicherheitsrisiko“ dar, da sie eine „Dual Use“ Technologie verkörpern, also nicht nur zivil, sondern auch militärisch genutzt werden. 20 bis 25 Prozent aller Satelliten werden militärisch genutzt, z. B. für den Einsatz zielgenauer Waffen-Drohnen und Marschflugkörper sowie zur Frühwarnung bei Raketenstarts. Die USA schufen dazu seit 2019 eine neue „Space Force“ (Weltraum-Kommando) als reguläre sechste Teilstreitkraft. Mit dem gerade absolvierten erfolgreichen Flug der ersten mit zwei US-Astronauten besetzten privaten „Crew Dragon“-Raumkapsel nach neun Jahren zur ISS-Raumstation, sind die Amerikaner zurück auf der Bühne bemannter Weltraumfahrt mit stets militärischer Komponente. Es geht dabei vor allem um Unabhängigkeit vom russischen Sojus-Transportsystem. Präsident Trump schwärmte denn auch von einer „heldenhaften Tat“ von mehr als historischer Bedeutung, es markiere die „kühne und triumphale Rückkehr der USA zu den Sternen“. Am 27. Dezember 2019 startete vom chinesischen Weltraumzentrum Wenchang auf der Insel Hainan die neue Trägerrakete „Langer Marsch 5“, um einen Kommunikationssatelliten in eine Umlaufbahn zu bringen. Chinas ehrgeiziges, aber von Fehlschlägen begleitetes, Raumfahrtprogramm soll Missionen zum Mond, Mars und zum Bau einer eigenen Raumstation ermöglichen. Auch andere Nationen denken praktisch über eigene Weltraumambitionen nach, sogar mit Optionen für Raketenstartplätze. So ist in Deutschland schon seit einiger Zeit im Gespräch, obwohl man im europäischen Weltraumprogramm der ESA eigentlich voll ausgelastet ist, Starts mit Raketen von norddeutschem Boden aus vorzunehmen. Im Gespräch hierfür sind die Standorte Rostock-Laage (Zivil- und Militärflughafen) oder der Truppenstandort mit Übungsplatz in Nordholz bei Cuxhaven. Probleme bereiten allerdings die weit nördlich des Äquators gelegenen Startplätze an Nord- und Ostsee. Japan (Ausgaben 2018 für Militär: 46,6 Mrd. Dollar) beendete gerade die erste Phase seiner unbemannten Transportflüge mit der Trägerrakete H-2B und Frachten zur ISS mittels des Flugsystems „Konotori 9“ wie seine Weltraumbehörde „Jaxa“ wissen ließ. Der letzte vom japanischen Weltraumbahnhof „Tanegashima Space Center“ in der Provinz Kagoshima gestartete Frachter dockte am 25. Mai d. J. an der Internationalen Raumstation ISS an.
Die Atomwaffen-Macht Indien (Militärausgaben aktuell: 71,1 Mrd. US-Dollar) unterhält ebenfalls ein kostspieliges Weltraumprogramm mit eigenem Träger- und Flugkontrollsystem. Man scheiterte unlängst mit der Mission eines mobilen Erkundungsroboters auf dem Mond, der beim Landeanflug auf der Oberfläche zerschellte. Milliarden US-Dollar in den Mondstaub gesetzt. 2019 testete Indien sein erstes Antisatelliten-System. Das Land hat zugleich massive wirtschaftliche und soziale Entwicklungsprobleme, gibt aber im Wettlauf mit Pakistan und gegen China gerichtet Riesensummen für Militär und Weltraumfahrt aus. Der Erdtrabant wird zum neuen Ziel nationaler Anstrengungen, ihn als Basis für verschiedene Zwecke wie etwa bemannter Flüge zum Mars, zur Rohstoffausbeutung aber auch militärischen Überwachung der Erde zu vereinnahmen. Jedes Weltraumfahrt betreibende Land versucht sich in einem bisher völlig vertragslosen Raum die besten Ausgangspositionen zu sichern. Außer den hier genannten Ländern unterhalten Argentinien, Brasilien, Iran, Israel, Kanada, Südkorea, Malaysia und die Ukraine nationale Raumfahrt-behörden oder -agenturen. Bis 2024 wollen die USA mit Hilfe des privaten Unternehmens SpaceX des Tesla-Milliardärs Elon Musk neue bemannte Flüge zum Mond mit Landungen veranstalten. Der Mond wird im kolonial-imperialen Kolumbusstil in zivil-militärischen Besitz genommen. Bisher ist nur die Stationierung von Massenvernichtungswaffen im All verboten. Für von der Erde (oder woanders) startende Raketen und Waffen, die für den Gebrauch im Weltraum bestimmt sind, gibt es keinerlei Verbote. Hier müsste, um ein weiteres Wettrüsten zu vermeiden, der UN-Sicherheitsrat schon längst in Aktion treten, ähnlich der Weltraum-Diplomatie in den Jahren 1967-84, die die Grundlage legte für das heute geltende (veraltete) Weltraum-Recht, denn da waren es nur zwei, heute gibt es sechs aktive Raumfahrtbetreiber.
Nationalisierung
Russland verfolgt angestrengt sein Vorhaben, nach der nach 20 Jahren allmählich in die Jahre kommenden ISS, des Baus einer Nachfolge-Station und drängt auf Entscheidung über nationale oder internationale Kooperation beim Bau und der Nutzung, Die Arbeiten sollten sofort beginnen, ließ der Chef der russischen Weltraumbehörde „Roskomos“, Dimitri Rogosin, gegenüber der Boulevardzeitung „Komsomolskaja Prawda“ vor kurzem verlauten. Die Abkoppelung der USA von den russischen Sojustransporten reißt ein empfindliches Finanzloch in die russische kommerzielle Raumfahrt. Derzeit findet eine verstärkte Nationalisierung von Rüstungsmaßnahmen statt, siehe auch die bereits erwähnte deutsche Werftenfusion für die Marinerüstung. Am 20 Mai d. J. wurde bekannt, dass ThyssenKrupp Marine Systems in Kiel vor der Übernahme der brasilianischen Oceana-Werft im Bundesstaat Catarina steht, vorbehaltlich der Zustimmung der brasilianischen Kartellbehörde. Die Werft soll vier neue Fregatten für Brasiliens Marine bauen. Kriegsschiffe für den rechtsextremen Staatschef und Leugner von Klimazerstörung und Corona-Krise, Präsident Jair Bolsonaro.
Neue „Indo-Pazifik-Strategie“ Deutschlands
Das deutsche Bundeskabinett der Großen Koalition beschloss am 2. September, einen Tag nach dem Antikriegstag, eine neue deutsche militär- und sicherheitspolitische Strategie für den indo-pazifischen Großraum von Indien über Australien und Süd-/Südostasien bis zur US-Westküste. SPD-Bundesaußenminister Heiko Maas rechtfertigte den Kabinettsbeschluss gegenüber dem „Berliner Tagesspiegel“: „Der Himalaya und die ‚Straße von Malakka‘ [Meerenge zum Südchinesischen Meer, d. Verf.] mögen weit entfernt scheinen. Aber unser Wohlstand und unser geopolitischer Einfluss in den kommenden Jahrzehnten beruhen gerade auch darauf, wie wir mit den Staaten des Indo-Pazifiks zusammenarbeiten“. Maas will diesem Aspekt eine „Priorität der deutschen Außenpolitik“ einräumen, um sich „mit demokratischen und kooperationswilligen Partnern internationaler Regierungen“ gegen das „Recht des Stärkeren“ in einer Region durchzusetzen, in der Schwergewichte wie China, Indien und Japan liegen. Gerade ist der rechtsliberale Premier Abe von seinem Amt als Japans Premier zurückgetreten, der unverhohlen für den Neo-Militarismus des Landes stand und Japans mächtige Aufrüstung vor allem zur See vorantrieb.
„Im Raum zwischen Indien, Australien und der Westküste der USA“, so Maas weiter, „entscheidet sich die Ausgestaltung der internationalen Ordnung von Morgen“. Deutschland wolle diese Ordnung mitgestalten mit dem Blick auf gemeinsame Werte. „Der politische Westen liegt auch im Osten“. Das klingt sehr ähnlich wie die Formel der 2000er Jahre seines Parteikollegen und Verteidigungsministers Peter Struck von der angeblichen Verteidigung deutscher Freiheit und Interessen am Hindukkusch. Nur hat man die deutsche Einflusszone deutlich weiter nach Osten ausgedehnt. Diese neue Speerspitze zielt vor allem gegen China, das seinen Machtanspruch auf insuläre Hoheitsgebiete im Südchinesischen Meer mit militärischen Mitteln durchsetzen will, indem es einzelne Inselgruppen besetzt und sie zu Militärstützpunkten ausbaut. Maas konstatiert: „Wir sehen mit Sorge das Wettrüsten in der Region und latente Konflikte, deren Ausbruch weltweite Erschütterungen nach sich ziehen“ würden. .
Auch die CDU-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer erklärte schon früher, Chinas expansiven Machtanspruch eindämmen zu wollen. Staaten wie Indien und Australien fordern ein stärkeres Engagement der Europäer gegenüber Chinas Hegemonialstreben und seine versuchten Einschüchterungen. Die „Freiheit der Meere“ und die Interessen Europas und seiner Wirtschaft sind berührt. Zweidrittel des weltweiten Seehandels verläuft über Schiffsrouten des Indo-Pazifiks. Der deutsche Außenhandel mit Südasien, Südostasien, Australien und Neuseeland ist konstant gewachsen. Das betont auch Maas: „Als Handelsnation hängen unser Wohlstand unmittelbar von der Freiheit des Handels und der Seewege ab, die zum großen Teil durch den Indo-Pazifik führen“ (Alle Zitate bis hierhin nach „Tagesspiegel Plus“ vom 2.9.2020). AKKs mehrfach artikulierten Ambitionen für eine deutsche Militärpräsenz im Indo-Pazifik traten bisher SPD-Politiker entgegen. Jetzt stimmten sie den Plänen ihres Ministers für eine Verstärkung der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit Akteuren der Region zu. Dazu sehen die neuen „Indo-Pazifik-Leitlinien“ Berlins einen abgestuften Maßnahme-Katalog vor, in denen es z. B. heißt, dies könne „die Teilnahme an sicherheitspolitischen Foren, die Teilnahme an Übungen in der Region, gemeinsame Evakuierungspläne, die Entsendung von Verbindungsoffizieren sowie Formen maritimer Präsenz“ bedeuten. Zugleich wird mehr Kooperation angestrebt in Bereichen wie Klimawandel, Freihandel, Menschenrechte und Digitalisierung. Dies kann freilich die militärisch schwache Seemacht Deutschland allein kaum wuchten. Deshalb kündigte Maas an, zusammen mit der stärkeren Atom- und Seemacht Frankreich und anderen europäischen Staaten eine gemeinsame Indo-Pazifik-Strategie zu erarbeiten. Der bereits länger im Südchinesischen Meer im Aufmarsch gegen China operierenden Weltmacht USA dürften diese neuen konkurrierenden Ambitionen Europas in ihrem angestammten Einflussbereich weniger gefallen. Konfliktstoff in der NATO für die kommenden Monate.
Aussichten
Die zivil-militärische Weltraumfahrt der USA hat in den vergangenen 10 bis 15 Jahren gerade bei der Entwicklung von neuen Raketen und Antrieben dank der Digitaltechnik, Robotik und neuer Werkstoffe große technologische Sprünge gemacht. Nicht mehr die staatliche NASA-Behörde ist dabei unternehmerisch federführend. Zivile Unternehmen wie SpaceX oder Northrop Drummond haben in Kooperation mit der NASA komplett die technologische Komponente übernommen. SpaceX unterhält eigene Raketenteststände und Abschussbasen in mehreren südlichen Bundesstaaten, Cape Canaveral hat Konkurrenz bekommen. SpaceX treibt auch das Vorhaben einer eigenen US-Mars-Mission bis etwa zum Jahr 2030/35 maßgeblich voran und entwickelt derzeit dazu eine Trägerrakete, die die riesige Saturn-5-Rakete des Apollo-Mondprogramms an Dimension noch übertreffen soll. Dass hier vermehrt weltraum-touristische Aspekte mit ins Spiel kommen, ist dabei eher ein nebensächlicher Finanzaspekt. Wer kann sich schon für Millionen Dollar einen Mitflug zum Mars oder für einige 100.000 Dollar eine Erdumrundung im Orbit und sich dazu eine Astronauten-Ausbildung leisten?
Dies muss man mit im Blick haben, wenn man sich die Veränderungen des Militärisch-Industriellen-Komplexes der USA in den Jahren seit der Obama- und Trump-Administration vergegenwärtigen will. Vor mit Orden behängten Veteranen und namentlich ausgezeichneten US-Offizieren versprach Präsident Trump in seiner „State of Union“ (Rede an die Nation) im Februar, der US-Armee „das beste Waffenmaterial der Welt“ zur Verfügung zu stellen, um den Vorsprung der USA (America first) vor allen anderen Nationen zu sichern. Die USA sind nicht nur weiter erste globale Militärmacht, sondern auch auf dem Weg, sich eine Vorherrschaft als planetare Militär- und Weltallmacht zu sichern. Nur China, das sein autokratisches politisches Kommandosystem mit kapitalistischer Wirtschaftseffizienz zu koppeln versteht, kann hier noch vielleicht in Teilen Paroli bieten. Sollte es zu einem militärischen Zusammenstoß zwischen den USA und China in den nächsten sagen wir 10 bis 15 Jahren kommen, der zwischen den beiden bereits in einem Wirtschaftskrieg befindlichen imperialen Konkurrenzmächten fast unvermeidlich zu sein scheint, wird er sich am ehesten am Interessenskonflikt der beiden Länder im Chinesischen Meer entzünden und am Status von Taiwan, für das die USA Garantiemacht sind. Und es könnte dabei auch zu einem begrenzten Einsatz von Atomwaffen kommen, was der schlimmste Fall wäre und niemand wünschen kann.
© EK/HB, 5. Juni/5. September 2020