Die Spaltung geschah im Zusammenhang mit der europäischen Krise im September 1938, die zum Münchener Abkommen zwi­schen den Westmächten England/Frankreich und den Achsen­mächten Deutschland/Italien führte. Die Krise hatte die Welt an den Abgrund eines allgemeinen Krieges geführt. Sein Ausbruch wurde durch die Kompromißbereitschaft der Westmächte verhindert, eine Kompromißbereitschaft, die Hitlerdeutschland zum Vorteil gereichte. Sie resultierte in der Besetzung des Sudetenlandes und später in der der gesamten Tschechoslowakei.

Die Frage, ob der Frieden in der 2. Septemberhälfte wirklich bedroht war, gab den Anlaß zu den Auseinandersetzungen im AK und im Anschluß daran in der KPO-Emigration Frank­reichs. Über den Verlauf der Auseinandersetzungen hat das AK im Oktober 1938 eine Dokumentation mit dem Titel „Material zu den letzten innerparteilichen Vorgängen“ herausgegeben. Dort sind die KPO-Mitglieder mit ihren Vor­namen oder Decknamen angegeben. In vorliegender Schrift sind sie des besseren Verständnisses wegen mit ihren Nach­namen angegeben. Die im „Material“ erwähnten Artikel sind von A. Thalheimer verfaßt, im Einverständnis mit H. Brandler. Um Mißdeutungen vorzubeugen, erfolgt die Na­mensnennung Brandler/Thalheimer.
Im abschließenden Abschnitt hat sich der Verfasser auf eine Deutung der damaligen Auseinandersetzungen versucht, die zur Spaltung der KPO-Emigration führte.

Die Septemberkrise 1938 - Der Verlauf

Die Septemberkrise wurde gegen Mitte des Monats mit ei­ner Rede Hitlers auf dem Reichsparteitag in Nürnberg ein­geleitet, die Prag leichtfertiger Kriegsvorbereitungen zieh. Die Rede löste Aufstände der Henlein-Leute in Eger und Karlsbad aus, wobei es Verletzte und Tote gab. Am 13. September verhängte Prag das Standrecht in den Grenz­bezirken, eine Maßnahme, die Hitlerdeutschland mit Kriegsvorbereitungen beantwortete. Der britische Premierminister Chamberlain wandte sich unmittelbar an Hitler mit dem Vorschlag einer persönlichen Aussprache. Die Begegnung der beiden Staatsmänner fand am 15. September auf dem Berghof Hitlers bei Berchtesgaden statt. Hitler forderte die Loslösung des Sudetengebietes von der Tschechoslowakei unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Er versprach, sich militärischer Aktionen zu enthalten, um seinem Gesprächspartner eine Rücksprache mit seinem Kabinett zu ermöglichen. Eine neue Begegnung zwischen den beiden Staatsmännern wurde in Aussicht genommen. Um die Stellung des kompromissbereiten Chamberlain in der engli­schen Öffentlichkeit zu stärken und damit seine Ziele ohne militärischen Einsatz zu erreichen, schürte Hitler die Furcht in England und Frankreich vor einem Krieg für fremde Interessen, indem er die sudetendeutschen Forde­rungen hochspielte. Ein sudetendeutsches Freikorps be­setzte die Städte Eger und Asch.
Am 22. September fand die Godesberger Konferenz zwischen Hitler und Chamberlain statt. Dieser erklärte sich im Namen der Regierungen Englands, Frankreichs und der Tschechoslowakei zu einer Auslieferung des Sudetenlandes an Hitlerdeutschland bereit, unter Voraussetzung einer internationalen Garantie für die Unabhängigkeit des Kerngebietes der Tschechoslowakei. Hitler verwarf diesen Vorschlag und stellte ein auf den 28. September befristetes Ultimatum: Die Auslieferung des Sudetenlandes zum 1. Oktober. Das Ultimatum wurde von Prag mit der Mobilmachung beantwortet. London sagte Paris englische Unterstützung zu im Falle eines deutschen Angriffes auf die Tschecho­slowakei, mit der Frankreich durch einen Militärpakt ver­bunden war. In England und Frankreich wurden Kriegsvor­bereitungen getroffen.
Am 22. September fand die Viermächtekonferenz in München statt mit den beiden Achsenmächten Deutschland - Italien auf der einen Seite und den beiden Westmächten England - Frankreich auf der anderen. Von der Konferenz waren sowohl die Tschechoslowakei ausgeschlossen, um deren Los es ging, wie die Sowjetunion, die mit Frankreich und der Tschechoslowakei durch einen Beistands- und Nichtangriffs­pakt verbunden war. Das Ergebnis der Konferenz war die Ab­tretung der sudetendeutschen Gebiete an Deutschland. Am 1. Oktober marschierten die deutschen Truppen in das Su­detengebiet ein, ohne daß die Tschechoslowakei eine Garan­tie für die Unverletzbarkeit ihres Kerngebietes erhalten hätte. Die Beteuerung Hitlers, daß die Abtretung des Sudetenlandes seine letzte Forderung gewesen sei, strafte er selbst Lügen, als die deutschen Truppen Mitte März des folgenden Jahres die gesamte Tschechoslowakei besetzten und es zum „Reichsprotektorat Böhmen und Mähren“ erklärten.

Die Beurteilung durch das AK

Am 21. September, also noch vor der Godesberger Konferenz vom 22. September, veröffentlichte die Daily European Observations2 einen Artikel von A. Thalheimer mit der Überschrift „Zwischenbilanz“3. Der Artikel bezieht sich auf die politischen Vorgänge zwischen dem 15. und 21. September und ist im Einverständnis mit H. Brandler geschrieben, da­gegen nicht – wie sich zeigen sollte – im Einverständnis mit dem dritten AK-Mitglied, Leo Borochowicz. In seinem Artikel stellt Thalheimer die Frage, ob der Friede wirklich bedroht war und beantwortet sie dahingehend: „Das Gespenst der allgemeinen Kriegsgefahr war im selben Maße ein Er­zeugnis der englischen und französischen Regierung wie Hitlerdeutschlands und Italiens“. Die Begründung dafür: „Weil 1. die englische Bourgeoisie seit langem bereit war, die Tschechoslowakei … Hitler als Opfer hinzuwerfen, … weil 2. die französische Bourgeoisie sich nicht von Eng­land trennen wollte. – Um die Preisgabe der Tschechoslo­wakei durch den englisch-französischen Imperialismus der sogenannten öffentlichen Meinung ihrer Länder annehmbar zu machen, war es für sie nötig, ihre öffentliche Mei­nung durch das Gespenst des allgemeinen Krieges in Panik zu jagen und sie dadurch mürbe zu machen. – Die einfache Wirklichkeit ist die, dass weder Hitlerdeutschland einen allgemeinen Krieg wollte, noch dass die englische und französische Regierung bereit waren, die Tschechoslowakei gegen einen Angriff Hitlerdeutschlands zu verteidigen.“ Dieser Preisgabe habe die Großbourgeoisie zugestimmt, weil sie den Verrat an der tschechischen Nation der Re­volution vorziehe. In der Tat hatte die Großbourgeoisie Anlaß, aufgescheucht zu sein. Auf dem Höhepunkt der tschechoslowakischen Krise zwischen Godesberg und München war nach Berichten aller Augenzeugen die Mehrheit der tschecho­slowakischen Werktätigen spontan für den revolutionären Krieg an der Seite der Roten Armee der Sowjetunion gegen Hitlerdeutschland.4

Am 27. September veröffentlichten die Daily European Observations einen neuerlichen Artikel von A. Thalheimer, der von seinen Kritikern als im Widerspruch stehend zu seinem Artikel vom 21. September angesehen wurde. Der Artikel trägt die Überschrift: „Nach dem Ultimatum von Godesberg“ und beginnt mit dem Satz: „Die Frage: Krieg oder Frieden steht im Augenblick auf Messerschneide.“5 Die wichtige Veränderung der politischen Lage gegenüber der Vorwoche sah Thalheimer darin, daß der Konflikt nunmehr die Frage des Sudetengebietes oder Tschechoslowakei weit überschritten habe. Wenn Chamberlain von Freiheit rede, so sei es die Freiheit des englischen und französischen Imperialismus, ohne Anfechtung über sein bisheriges Herr­schaftsgebiet zu verfügen. Das Verhalten Hitlerdeutsch­lands zur SR sei der Probierstein, ob der deutsche Im­perialismus überhaupt noch zu einer Verständigung in der Frage der imperialistischen Weltherrschaft bereit sei.
Thalheimers ursprüngliche Annahme, daß es sich bei der durch Hitler heraufbeschworenen Krise und der Reaktion darauf durch die französische und englische Regierung um ein gemeinsames Manöver handle, hat sich schließlich als richtig erwiesen. Was ihn zeitweise seine Meinung ändern ließ, kann gewesen sein (außer den Risiken, die unverhüllte Kriegsdrohungen immer mit sich führen), daß die militärische und strategische Verfügung über die SR an sich schon ein erheblicher Faktor beim Kampf um die Machtgrundlagen des imperialistischen Nebenbuhlers sind. Thalheimer konnte also mit einigem Recht annehmen, daß England und Frankreich aus Gründen der Selbstbewahrung einer Auslieferung der Tschechoslowakei an Hitlerdeutsch­land nicht zustimmen konnten und daß es darüber zum Krieg kommen könne.

In einem weiteren Artikel, diesmal im Internationalen Klassenkampf (IK)6 zieht der Verfasser eine Parallele zwischen dem Vorgang, der sich im September abgespielt hat und den früheren Vorgängen in den faschistischen Län­dern. Die Bourgeoisie hat in diesen Ländern zugunsten der faschistischen Diktatur auf ihre eigene politische Macht verzichtet, um ihre ökonomische und soziale Klassenherrschaft zu erhalten, zu verlängern und zu befestigen. Jetzt hat auf internationalem Gebiete die englische und französische Bourgeoisie gewisse imperialistische Teilinteressen preisgegeben – im Interesse der Erhaltung der kapitalistischen Klassenherrschaft im Ganzen in Europa. Wenn man die imperialistischen Interessen der Bourgeoisie gleichsetzt mit dem „nationalen“ Interesse, wie die Bourgeoisie dies selbst tut, kann man auch sagen, daß sie Verrat an ihren eigenen nationalen Interessen begangen hat um des internationalen kapitalistischen Klas­seninteresses und letzten Endes auch um ihrer nationalen Klassenherrschaft willen. Der Sieg der proletarischen Re­volution in Deutschland und Italien im Gefolge einer Nie­derlage der faschistischen Regime dieser Länder im Krie­ge würde das Übergewicht der Kräfte der Revolution in Europa zur Folge haben.

Der „Krach“ im AK

Die Auseinandersetzungen wurden durch den Artikel Thalheimers vom 21. September ausgelöst. L. Borochowicz und H. Tittel brachten am 26. September einen Antrag folgen­den Inhalts im AK ein: „Das AK stellt fest, daß der Ar­tikel ‚Zwischenbilanz´ (Daily European Observations) vom 21. September, in dem die Gefahr eines allgemeinen Krieges als ein ‚Gespenst‘ bezeichnet wird, nicht die Auf­fassungen der KPD(O) über die gegenwärtige internationale Lage zum Ausdruck bringt.“ Sie stellten fest: „Diese Be­urteilung der internationalen Lage steht in einem krassen Widerspruch zur Wirklichkeit“, denn „Die Frage der Kriegs­gefahr wird nicht vom Standpunkt der objektiven Situation des niedergehenden Kapitalismus beurteilt, sondern im Lichte der subjektiven Wünsche und Absichten, die die Minister und Kapitalisten der einzelnen Länder haben oder die ihnen zugeschrieben werden.“ Die Antragsteller stell­ten weiter fest: „In der gegenwärtigen Situation ist der Artikel nicht nur theoretisch falsch, sondern bedeutet einen schweren Verstoß gegen die revolutionäre Aktionsdisziplin.“7 Sie bezogen sich dabei auf einen gleichzeitigen Aufruf der IVKO zusammen mit dem Londoner Büro8 gegen den imperialistischen Krieg.
Der Antrag Borochowicz/Tittel wurde auf einer Sitzung des AK am nächsten Tag, am 27. September, mit den Stimmen Brandlers und Thalheimers, mit 2/3 Mehrheit abgelehnt. Gleichzeitig mit dem Antrag veröffentlichte Borochowicz einen Artikel in der Arbeiterpolitik Nr. 39 unter der Überschrift „Zwischen Krieg und Frieden“.9 Ein Außenstehender hätte in dem Artikel keinen Angriff auf Brandler und Thalheimer gesehen, aber diese selbst taten es. Der Artikel wiederholte nämlich – ohne Namen zu nennen – die Argumente, die dem Antrag Borochowicz/Tittel zugrunde lagen. Die Ab­sicht dieses Artikels scheint gewesen zu sein, die Streit­fragen im AK vor das Forum der KPO-Emigration zu bringen. Das gab Brandler/Thalheimer den Anlaß, Borochowicz der Fraktionsarbeit zu zeihen und ihm die politische Kontrolle der Zeitschrift Arbeiterpolitik zu entziehen und sie Thalheimer zu unterstellen.

Am nächsten Tag, am 28. September, kam es zur Viermächtekonferenz in München. Man hätte annehmen können, daß damit die Streitfragen im AK zugunsten der Auffassung Brandler/ Thalheimers beendet waren, aber das war keineswegs der Fall. Zu der vorgesehenen AK-Sitzung am 30. September wollten Borochowicz/Tittel einen zweiten Antrag einbringen, und das aus Anlaß des Artikels „Nach dem Ultimatum von Godesberg“ vom 17. September. Die Antragsteller stellten fest, daß Thalheimers Artikel einander widersprächen, der vom 21. September (Zwischenbilanz) und der vom 27. Septem­ber (Nach dem Ultimatum von Godesberg). Sie beantragten deshalb die Aufhebung des Beschlusses der 2/3 Mehrheit des AK vom 27. September, Borochowicz die politische Kon­trolle der Arbeiterpolitik zu entziehen unter Berufung darauf, daß Thalheimer selbst durch seinen zweiten Artikel von seinem ersten abgerückt sei.

Auf der AK-Sitzung vom 30. September kam es zu keiner Behandlung dieses Antrags, denn es kam zum „Krach“. Neben den drei AK-Mitgliedern nahmen H. Tittel und H. Brechenmacher an der Sitzung teil, der letztere unbekannt in welcher Eigenschaft. Brechenmacher gehörte nicht einmal der KPO an, hatte aber mit ihr in der Illegalität zusam­mengearbeitet, bis er 1937 aufgrund einer drohenden Ver­haftung emigrieren mußte. Auf der Sitzung vertrat er den Standpunkt Brandlers und Thalheimers.10 Diese schoben die Schuld an dem Auftritt der anderen Seite zu und schlössen Borochowicz auf ein Jahr aus dem AK aus.

Die Auseinandersetzung in der KPO-Emigration

Die Auseinandersetzungen beschränkten sich nicht auf das AK, sie griffen auf die KPO-Emigration über, angefangen bei der Pariser Gruppe, der stärksten in Frankreich. Auf die Maßnahme Brandlers und Thalheimers, dem dritten AK-Mitglied, Borochowicz, die politische Kontrolle der Arbeiterpolitik zu entziehen, antworteten deren Mitarbeiter, E. Hausen (Alfred), R. Monden und Elly Brücker, daß diese Maßnahme ohne jede Rücksprache mit ihnen er­folgt sei und im krassen Widerspruch zum Prinzip des demokratischen Zentralismus stehe. „Wir beantragen daher, daß das AK den in der Frage der ‚Arpo‘ gefaßten Beschluß aufhebt.“ In einem zweiten, vom 2. Oktober datierten, Antrag führten die drei Antragsteller eine politische Frage von Bedeutung an, die des revolutionären Defaitismus, eine Frage, die bisher in der Auseinandersetzung des AK keine Rolle gespielt hatte.

Mit der steigenden Kriegsgefahr seit der Errichtung der NS-Diktatur in Deutschland war die Frage akut geworden, welche Haltung die Arbeiterklasse der verschiedenen Län­der im Kriegsfalle einzunehmen habe. Im IK vom Februar 1936 war die Frage unter dem Titel „Der imperialistische und der revolutionäre Krieg heute“ eingehend behandelt worden. (Siehe dazu auch Erwin Gräff: Die KPO und die Kriegsfrage vor Ausbruch des 2. Weltkrieges.) Der Verfasser, A. Thalheimer, hatte insbesondere derjenigen Frage seine Aufmerksamkeit zugewandt, die durch die Perspektive des „gemischten“ Krieges eine Beantwortung verlangte, d.h. des Krieges zwischen imperialistischen Mächten, in dem die Sowjetunion der Verbündete einer der beiden Mäch­tegruppen werden könnte, nämlich der Westmächte, aufgrund ihres Militärbündnisses mit Frankreich. Ausgehend davon, und später mit der Perspektive eines isolierten Krieges zwischen der Tschechoslowakei und Hitlerdeutschland vor Augen, stellte Thalheimer fest, daß die Leninsche Losung vom revolutionären Defaitismus nicht zu allen Zeiten und in allen Lagen Gültigkeit habe, daß sie der Hauptlosung der Umwandlung des imperialistischen Krieges in den Bür­gerkrieg und den revolutionären Krieg untergeordnet sei, und daß die Losung des revolutionären Defaitismus ihre Gültigkeit verliere, „wenn sie in Widerspruch geraten wür­de zum allgemeinen revolutionären Ziel, wenn sie die Revolution schädigen würde.“11 Im IK vom Juli 1938 nahm das AK erneut Stellung zur Frage des revolutionären Defaitismus, wobei dem tschechischen Fall besondere Aufmerk­samkeit geschenkt wurde. Aufgrund seiner Verbindung mit der deutschsprachigen KPO-Gruppe des Sudetenlandes war das AK über die Stimmung im Lande gut unterrichtet. Als Zusam­menfassung des beiderseitigen Meinungsaustausches muß die abschließende Betrachtung obigen Artikels angesehen wer­den: „Der Sieg Hitlerdeutschlands würde die SR in eine faschistisch beherrschte deutsche Kolonie verwandeln. Er würde die Zerschlagung aller Arbeiterorganisationen be­deuten. Er würde bedeuten, daß zunächst der Kampf der sla­wischen Völker der SR gegen die nationale Unterdrückung durch die Deutschen alles andere überwuchern würde. Die Bedingungen für die proletarische Revolution in der SR wären nicht verbessert, sondern sie wären ungeheuer ver­schlechtert und erschwert. Der Defaitismus wäre in diesem Falle jedenfalls kein revolutionärer Defaitismus. Er ist daher abzulehnen.“12

Als Wendung bezeichneten die Antragsteller Hausen, Monden und Brücker das Aufgeben der Losung des revolutionären Defaitismus im Falle der Tschechoslowakei, eine Wendung, mit der sie sich einverstanden erklärten, um – widersprüchlich dazu – in der Absetzung von Borochowicz nur einen Vorwand für weitergehende und auf eine grundlegende Änderung der Linie der Gruppe abzielende Absichten zu sehen. Worin diese Änderung bestand, wurde nicht weiter ausgeführt.
Am 2. Oktober brachte Kuno Brandel einen Antrag beim AK ein, in dem er diesem vorwarf, die Stellungnahme der Gruppe in der Frage des revolutionären Defaitismus einer Revision unterzogen und die bisher von der Gruppe vertretene Auffassung preisgegeben zu haben, so wie sie im Aufruf des Londoner Büros und in der Broschüre „Der Krieg und die Kommunistische Internationale“ zum Ausdruck komme. Er bezog sich dann auf die gegen Borochowicz getroffenen Maßnahmen und schlug vor ihre sofortige Rückgängigmachung, eine Erweiterung des AK, in das Hausen und Tittel aufzunehmen wären und eine allgemeine politische Diskussion über den Rahmen der Fünfergruppen hinaus.

Die Spaltung

In der „Antwort des AK auf die Anklagen der Fraktion Leo-Hans gegen die ergriffenen organisatorischen Maßnahmen des AK“ rechtfertigten Brandler und Thalheimer ihre Maß­nahmen bezüglich Borochowicz und wiesen die Proteste von Hausen, Monden und Brücker ab. Die von ihnen ergriffenen Maßnahmen sollten – nach ihrer Auffassung – verhindern, daß anstelle einer Diskussion zur Klärung politischer Meinungsverschiedenheiten Fraktionstreibereien gefördert würden.
In Bezug auf die behauptete Wendung der Linie der KPO wiesen Brandler/Thalheimer auf Beschlüsse des AK und des Londoner Büros der IVKO hin, wie sie in drei Rundschreiben bzw. Briefen an die Mitglieder der KP der Tschechoslowakei (O) zum Ausdruck gekommen seien. Sie nahmen für sich in Anspruch, eine Diskussion über die Kriegsfrage in der gesamten Mitgliedschaft angeregt und zu diesem Zweck Hausen und andere Genossen aufgefordert zu haben, Diskussionsartikel zur Kriegsfrage zu schreiben. Dies, nachdem Borochowicz einem ihm am 6. September erteilten Auftrag nicht nachgekommen sei, „je einen Entwurf eines Aufrufs zur Lage für IVKO und KPD(O) zu machen, der als Basis einer klärenden Diskussion im AK, und wenn erforderlich, in der Mitgliedschaft dienen konnte.“ 15
Auf die Anklage von Brandel, daß der Standpunkt der Gruppe betreffend die Losung des revolutionären Defaitis­mus revidiert worden sei, entgegneten Brandler/Thalheimer, daß der Standpunkt des AK im Falle eines isolierten Krie­ges der Tschechoslowakei gegen Hitlerdeutschland (Ablehnung der Losung des Defaitismus und Umwandlung des imperialistischen Krieges in den revolutionären Vertei­digungskrieg) sowohl in der Pariser Emigration wie in Südfrankreich diskutiert und gebilligt worden sei.
Brandler/Thalheimer schlossen ihre Entgegnung mit der Feststellung ab: „Was übrig bleibt, ist eine verschie­dene Beurteilung der Einschätzung der politischen Ereig­nisse dieses Jahres. Es muß versucht werden, die Diskussion solcher Differenzen besser, wie bisher, in der Emigra­tion zu organisieren. Das müssen die Genossen der Emi­gration selbst tun. AK kann sie nur unterstützen.“16 Auf der anderen Seite hielten Brandler/Thalheimer die Enthebung von Borochowicz aus seinen Funktionen als AK-Mitglied auf ein Jahr aufrecht mit der Begründung, er und Tittel hätten sich eines Fraktionsvorstoßes schuldig gemacht.
Die von Brandler/Thalheimer angestrebte Diskussion der Differenzen kam nicht zustande. Borochowicz, Tittel und Genossen verließen die KPO. Ihnen schloß sich fast die gesamte Ascher KPO der SR an, die sich in England befand, und Genossen in Dänemark. 17

Die Ursachen der Spaltung

Die Krise im AK entstand plötzlich, ohne Vorwarnung. Sie bildete nicht den Höhepunkt einer sich lang hinziehenden Auseinandersetzung innerhalb der KPO-Emigration. Der Anlaß, ob es zu einem gewissen Zeitpunkt zum Kriegs­ausbruch komme oder nicht, war eine Nebenfrage. Die Ursachen zur Auseinandersetzung, die in einer Spaltung re­sultierte, müssen daher woanders gesucht werden. Sicher­lich waren politische Fragen die bestimmenden, aber in einem anderen Sinne, wie sie die Beteiligten verstanden. Die Ursachen müssen in der Lage der Kommunistischen Op­position vor Ausbruch des 2. Weltkrieges gesucht werden.

Die Entwicklung der KPD-O

In der Internationalen Vereinigung Kommunistischer Oppo­sition (IVKO) dominierte die deutsche Gruppe zahlenmäßig (nur zeitweise durch die oppositionelle KP Schwedens über­flügelt, die innerhalb der Partei eine Mehrheit hatte sammeln können)18, die KPD-O dominierte aber vor allem ideo­logisch. Sie war daher besser gerüstet, auf die verschie­denen Aspekte der politischen Entwicklung zu reagieren und ihr Geschlossenheit zu bewahren. Die Aufgabe, die sie sich mit ihrer Bildung gestellt hatte, war eine Reform der Komintern an Haupt und Gliedern. An dieser Möglichkeit zweifelte bereits 1931 eine Minderheit innerhalb der KPD-O und verließ sie, um sich der SAP anzuschließen. Durch die Errichtung der NS-Diktatur und die Beschränkung auf die illegale Tätigkeit verlor die KPD-O, wie alle an­deren Arbeiterorganisationen, an Wirkungsmöglichkeit. Ver­folgungen durch die Gestapo reduzierten den ihr verblie­benen Mitgliederstamm.
Nach der Niederlage in Deutschland 1933 zeichnete sich schließlich eine Abwendung der Komintern von der ultra­linken Linie ab. Die KPO schöpfte neue Hoffnung. Auf der ersten Auslandskonferenz Ostern 1934 wurde eine Hinwendung an das Exekutivkomitee der Komintern beschlossen, mit der Aufforderung, zu ihrem bevorstehenden 7. Weltkongreß Ver­treter der KPD-O und des Büro der IVKO mit beratender Stimme zuzulassen. Das Ergebnis dieses Weltkongresses entsprach nicht den Erwartungen der KPO.

Die Komintern gab zwar die ultralinke Linie auf, aber nur, um vom linken Straßengraben in den rechten zu fallen. Mit der Volksfrontpolitik, die auf dem 7. Weltkongreß aus der Taufe gehoben wurde, verließen die Komintern und die ihr angeschlossenen Kommunistischen Parteien den Boden des Kommunismus. Von nun ab trennten nicht mehr nur taktische Differenzen Opposition und Komintern, sondern prinzipielle. Damit wäre der Augenblick für die Opposition gekommen, den gefallenen Mantel aufzuheben und sich als kommunisti­sche Partei zu konstituieren. Dafür waren indes ihre Kräfte zu schwach. So verblieb die Aufgabe, die der Opposition zugefallen war, ungelöst.
Anfang 1937 rollte die Gestapo die illegale Reichsleitung auf und zerschlug die Organisation.19 Aber „bis zum März 1940 bestand zwischen dem AK und dem Inland noch sporadischer Kontakt“.20 Ab 1937 war somit die KPO als Organisation nur noch durch ihr AK und ihre Emigrantengruppen repräsentiert. Sie verteilten sich auf fünf Länder in Europa und umfaßten rund 100 Mitglieder.21

Die Entwicklung der Internationalen Vereinigung der Kommunistischen Opposition (IVKO)22

Die IVKO war sich einig in ihrer Ablehnung der Beschlüsse des 4. Weltkongresses der Roten Gewerkschaftsinternationale von 1928 und des 6. Weltkongresses der Komintern vom sel­ben Jahr. Die politische Entwicklung der folgenden Jahre und die Stellung, die ihre Ländergruppen dazu nahmen, ließ sie verschiedene Wege gehen. 1933 verließ die stärkste Gruppe, die schwedische, die IVKO, um sich der Internationa­len Arbeitsgemeinschaft gegen den Krieg (IAG) mit Sitz in London (daher Londoner Büro) anzuschließen. 1934 verließ die KP der Schweiz mit Stützpunkt in Schaffhausen die IVKO. Im selben Jahr wurden die Vorläufer der späteren Volks­frontpolitik im Bezirk Elsaß der KP Frankreichs aus der IVKO ausgeschlossen, wodurch der Opposition nur eine klei­ne Restgruppe erhalten blieb. Neben den kleinen unbedeutenden Ländergruppen in Indien, Österreich und der SR (Asch) gehörten der IVKO seit 1935 nur noch zwei größere Gruppen an, die deutsche KPO und die US-amerikanische Lovestone-Gruppe. 1938 trennte sich die IVKO von der indischen Gruppe um M. N. Roy aufgrund der von ihm eingeschlagenen Linie in der Kriegsfrage (Burgfriedenslinie) und seiner Abwendung vom Marxismus (Verkündung des „Neuen Humanismus“). Im selben Jahr spitzte sich ein latenter Konflikt zwischen der KPD-O und der Lovestone-Gruppe zu in der Frage des Londoner Büros, das seinen Namen IAG in Internationales Büro für revolutionär-sozialistische Einheit geändert hatte. Die Lovestone-Gruppe forderte dessen Umbildung in ein neues „Internationales Zentrum“, d.h. die Bildung einer neuen Internationale, was die KPD-O immer abgelehnt hatte. Darüber kam es zum Bruch zwischen den beiden Organisationen und damit zum Ende der IVKO.

Die Existenzberechtigung der KPD-O nach dem 7. Weltkongreß der Komintern

Was die Haltung der KPO-Emigranten zu den politischen Fragen auszeichnete, war ihre völlige Einmütigkeit bis zur Septemberkrise. Zwar gab es genug Stoff, der zu Auseinandersetzungen einlud und zu Spaltungen hätte führen können. Da war die Einstellung zum Stalinismus. Anfänglich hatte das AK die Maßnahmen Stalins und der Mehrheit des russischen ZK gegen die Angeklagten im ersten Moskauer Schauprozeß vom August 1936 gebilligt (Kamenew, Sinowjew und Smirnow). Auch gegenüber dem zweiten Prozeß vom Januar 1937 meldete das AK nur Bedenken an (Radek, Pjatakow und Genossen). Immerhin war ein Umdenken im Gang. Erst anläßlich des dritten Prozesses im März 1938 nahm das AK in scharfen Worten Abstand von den Maßnahmen der russischen Führung.23 Auch H. Tittel hat die Stellungnahme des AK vertreten und Referate darüber in Asch gehalten.24

Zu der Wandlung des AK in der Beurteilung der Führung der Sowjetunion und insbesondere Stalins trug die politische Entwicklung in Spanien entscheidend bei. Über die deutschen KPO-Mitglieder, die auf republikanischer Seite kämpften und in engem Kontakt mit der POUM standen, waren das AK und die IVKO weitgehend über die politische Lage in Spanien unterrichtet. Da die Wendung des AK in der Einstellung zur Stalin-Führung im Einklang mit der Basis stattfand, war jedenfalls nicht diese Frage der Anlaß zu der späteren Auseinandersetzung im AK.

Auch die Frage des „Demokratischen Zentralismus“, der in einen „Bürokratischen Zentralismus“ ausgeartet war, wurde nicht zum Gegenstand der Auseinandersetzungen. Es fanden Diskussionen darüber statt, aber sie fanden nicht ihren Niederschlag in Erklärungen oder in der Formulierung gegensätzlicher Standpunkte. Der Standpunkt Thalheimers in dieser Frage war: „Der Demokratische Zentralismus hat (…) zwei Seiten, eine, die von oben nach unten geht, das Kommandieren, das ist der Zentralismus, und eine, die von unten nach oben geht, das ist das Demokratische daran.“ (Um was geht es? - S. 28).

Anders war es mit der Frage des „revolutionären Defaitismus“. Obwohl diese Frage in ausführlichen Artikeln im IK von Thalheimer/Brandler (IK Februar 1936, IK Juli 1938) und im Laufe des Jahres 1938 in der KPO-Emigration behandelt worden war, scheint die Bedeutung dieser Frage als einer der Hauptlosung untergeordnete (Umwandlung des imperialistischen Krieges in den revolutionären durch Sturz der bürgerlichen Regierung) nicht allgemein erkannt worden zu sein. Das Bezeichnende indes ist, daß nicht diese Frage die Auseinandersetzung im AK auslöste, sondern eine zweitrangige, nämlich die des Zeitpunktes des Kriegs­ausbruches. Sie war die Frage, hinter der sich eine an­dere verbarg, die der Existenzberechtigung der KPO nach dem 7. Weltkongreß der Komintern.

Mit der Auflösung der Roten Gewerkschaften, die eine der Voraussetzungen für die Volksfrontlinie der Komintern war, wurde ein Stein des Anstoßes auf dem Wege des Zusammenwir­kens der beiden großen Arbeiterparteien, der Sozialdemo­kratischen und der Kommunistischen, aus dem Wege geschafft. Für viele der Landesgruppen, die der IVKO angeschlossen wa­ren, wurde damit ein wesentliches Hindernis beseitigt. Und in der Volksfrontlinie sahen sie die Verwirklichung des Einheitsfrontgedankens. Darin lag der grundlegende Unter­schied zur deutschen Gruppe der KPO. Was diese betraf, so war zwar die Gewerkschaftsfrage eine sehr wichtige Frage, aber nicht die einzige und keineswegs eine übergeordnete, sondern im Gegenteil eine der Frage des Sozialismus untergeordnete. Darum hatte die KPD-O zur Volksfrontlinie des 7. Weltkongresses der Komintern eine Einstellung, die der­jenigen der übrigen Ländergruppen der IVKO genau entgegen­gesetzt war. In der Volksfrontlinie sah sie eine Perver­tierung des Einheitsfrontgedankens, d.h. der Zusammenarbeit aller Arbeiterorganisationen in bestimmten Tagesfra­gen, um diese für den Sozialismus zu mobilisieren. Die Volksfrontlinie zielte ganz im Gegenteil darauf ab, die Frage des Sozialismus auf den Sankt-Nimmerleinstag zu ver­schieben. Sie war eine durch die außenpolitischen Bedürf­nisse der Sowjetunion diktierte Linie, die von den moskau­treuen Kommunistischen Parteien im vermeintlichen Interes­se der Sowjetunion und der kommunistischen Weltbewegung angenommen und vertreten wurde.

Welche Möglichkeiten hatte die KPD-O, sich der neuen Linie der Komintern zu widersetzen? Wenn ihre Reformversuche der Komintern „an Haupt und Gliedern“ unter deren ultralinken Periode sich als vergeblich erwiesen hatten, so war die Aussicht, mit geringeren Mitteln, weil geschwächter Organi­sation, gegen die Burgfriedenslinie der Komintern anzugehen, ja, diese zu ersetzen, aussichtslos. Ohne Wirkungsmöglich­keit in der Arbeiterbewegung ihrer Asylländer, auf sich selbst gestellt, ihre Mitglieder politisch, ökonomisch und sozial ausgesetzt, an den Rand der Gesellschaft des Asyl­landes gedrängt, das sie gerade noch duldete, bewahrte die KPD-O ihr Einheit aufgrund ihrer korrekten Beurteilung der politischen Entwicklung im Weltmaßstab. Aber auch die scharfsinnigste Analyse kann auf die Dauer nicht die Or­ganisation ersetzen. Auch die besten Anweisungen zum Han­deln können die Handlungen selbst nicht ersetzen. So mußte sich eines Tages, angesichts des Niederganges der Arbei­terbewegung im allgemeinen und der kommunistischen Oppo­sition im besonderen, für die Mitglieder der KPO die Frage stellen: Zu welchem Zweck halten wir noch zusammen? Der Tag kam, als die politische Temperatur bis zur Siede­grenze stieg, als die deutsche Emigration in Frankreich an­gesichts der drohenden Kriegsgefahr, vor der sie jahrzehn­telang gewarnt hatte, machtlos stand. Der „Krach“ im AK war Ausdruck der hoffnungslosen Lage, in die die KPO-Emigration als politische Organisation geraten war, die Hef­tigkeit, mit der die Auseinandersetzungen geführt wurden, Ausdruck der hoffnungslosen Lage, in der sich ihre Mit­glieder befanden, mit der drohenden Internierung im Kriegs­falle vor Augen, ungeachtet ihrer Eigenschaft als Antifa­schisten.

Minderheit und Mehrheit, die sich im Laufe der Auseinan­dersetzung im AK und der Pariser Emigration herausbildeten, glaubten politische Fragen zu verteidigen. In der Tat han­delte es sich um politische Fragen, aber um andere als alle Beteiligten meinten. Es ging um die Existenzberechtigung der KPD-O. Daß dem so war, zeigte der Weg, den die Minderheit nach ihrer Trennung von der Mehrheit ging. In den USA, wohin die Minderheit mit Hilfe der Lovestone-Gruppe nach der Besetzung Frankreichs emigrieren konnte, faßte sie den Beschluß, sich als Fraktion oder Gruppe der KPO aufzulösen und jedem Einzelnen das Recht zuzugestehen, seine eigene politische Meinung zu vertreten.25

Was von den damaligen Auseinandersetzungen zu sagen ist: „… die Geschichte ist großzügig über diesen Konflikt hinweggegangen.“26 Was bleibt, ist, daß Brandler/Thalheimer die Kriegsfrage in neuem Lichte gesehen haben. Während die großen Arbeiterparteien bereits vor dem Kriege Burg­friedenspolitik betrieben, wenn auch aus verschiedenem An­laß, wenn Sozialdemokraten einem Pazifismus huldigten, der dem Defaitismus der Reaktionäre Vorschub leistete, wenn Trotzki die Losung des „revolutionären Defaitismus“ auch im Falle des „gemischten“ Krieges zur Doktrin erhob und damit, wie die Pazifisten, dem reaktionären Defaitismus ungewollt in die Hände arbeitete, lösten Brandler/Thalheimer den Knoten, der sich um die Kriegsfrage entwickelt hatte – eine historische Leistung, die die wenig rühmliche Rolle der beiden großen Arbeiterparteien ins rechte Licht rückt.

Erwin Gräff, 15. Februar 1985

1 Zu diesem Zeitpunkt existierte im Reich keine Organisation der KPO mehr, eine Folge der Verhaftungswelle 1937. Die KPD-O wurde somit nur mehr durch deren Auslandskomitee (AK) und ihre Emigrationsgruppen repräsentiert.
2 Eine als Pressekorrespondenz in London getarnte Publikation der KPO/IVKO mit wöchentlichen Kommentaren zur politischen Entwicklung.
3 "Material zu den innerparteilichen Vorgängen", Oktober 1938, S.4.
4 Krieg und Gewerkschaften. Rede des Vertreters der KPO: Genosse Roth, d.h. H. Brandler, auf der Februarkonferenz der "Internationalen Front der Werktätigen gegen Krieg", 1939, S. 18. Siehe dazu auch Erwin Gräff: "Die KPO und die Kriegsfrage vor Ausbruch des 2. Weltkrieges".
5 "Material ...", Oktober 1938. Nach dem Ultimatum von Godesberg, S.8.
6 IK, Oktober 1938. Die Krise, S.5.
7 "Material ...", Oktober 1938, Antrag, S.1ff.
8 Londoner Büro = "Internationales Büro für revolutionäre sozialistische Einheit" mit Sitz in London, loser Zusammenschluß linkssozialistischer Parteien und Gruppen. Nachdem die Leitung Mitte der 30er Jahre auf die POUM übergegangen war, strebte die IVKO volle Mitgliedschaft an. Die IVKO hatte bis dahin in einem Kartellverhältnis zum Londoner Büro gestanden.
9 "Material ...", Oktober 1938. Zwischen Krieg und Frieden, S.11.
10 Die Feststellung, nicht der KPO angehört zu haben, machte H. Brechenmacher in einer mündlichen Unterredung mit dem Verfasser.
11 IK, Februar 1936, Der imperialistische und der revolutionäre Krieg heute, S.10.
12 IK, Juli 1938, Zur Frage des revolutionären Defaitismus. Zum tschechischen Fall, S.9.
13 "Material ...", Oktober 1938, S.26.
14 a.a.O., S.2815 a.a.O., S.30.
16 a.a.O., S.32.
17 Brief Tittel/Buschak 10.6.1979: Wer die Genossen in Dänemark waren, hat sich nicht mehr feststellen lassen. Siehe Brief Richter/Gräff 16.2.1984. "Als wir damals 1938 hier in der Gruppe die Frage ´gemischter Krieg - revolutionärer Defaitismus` diskutierten, waren wir prinzipiell einig in der Beurteilung des gemischten Krieges. Daß es aber im AK bei der Beurteilung zur damals augenblicklichen Frage -
Kriegsgefahr - zum Bruch/Krach und Ausschluß von Leo kommen sollte (…), hatten wir keine Ahnung und daß der 'Krach' nachfolgend zur Spaltung der KPO-Emigration führte, ebenfalls (nicht)."
18 Bernt Kennerström: Mellan tva internationaler (Zwischen zwei Internationalen). Die Sozialistische Partei 1929-37, S.26. Die Zahl für die oppositionelle Mehrheit, die spä­ter ihren Namen von KP Schweden (SKP) in Sozialistische Partei (SP) änderte, wird mit 7.100 angegeben, für die moskautreue Minderheit mit 4.000.
19 W. Abendroth: Ein Leben in der Arbeiterbewegung, S.194.
20 K.H. Tjaden: Struktur und Funktion der "KPD-Opposition" (KPO), S.328.
21 Detaillierte Angaben bei Hans Tittel (Brief Tittel/Foitzik 9.4.81), indes sind Korrekturen notwendig. In Skandinavien lebten 1939 24 Mitglieder (Erwin Gräff: Verzeichnis über die deutsche KPO-Emigration in Däne­mark, in Norwegen und in Schweden). In Troyes (Frank­reich) lebten 1937 6 Mitglieder, nach März 1939 niemand.
22 K.H. Tjaden: a.a.O., 4. Zur internationalen „rechten“ KP-Opposition, S.259ff und: Die internationalen Ver­bindungen des Auslandskomitees..., S.328ff.
23 IK, Nr.4, November 1936. IK, Nr.1, Februar 1937. IK, Nr.1, März 1938.
24 Mündliche Mitteilung an den Verfasser, Oktober 1978.
25 Brief Tittel/Bergmann 2.11.1978.
26 Brief Tittel/Gräff 6.11.1978.
25 Brief Tittel/Bergmann 2.11.1978.
26 Brief Tittel/Gräff 6.11.1978.
25 Brief Tittel/Bergmann 2.11.1978.
26 Brief Tittel/Gräff 6.11.1978.

 

Zum Verfasser Erwin Gräff

Vorstehende Einschätzung der Spaltungsvorgänge in der KPD-O 1938 im Pariser Exil stammt vom Genossen Erwin Gräff, geboren am 13. 6. 1907 und gestorben 1994 in Schweden. Er war in seiner Jugend Mitglied der KPO und Leiter einer gewerkschaftlichen Jugendgruppe. Von Beruf war er Architekt. Vor den Nazis musste er nach Schweden flüchten, wo er während des Krieges als Landarbeiter unterkam. Nach dem Krieg zog er 1954 nach Linköping und konnte dort als Architekt arbeiten. Erwin war in seiner neuen Heimat weiter politisch tätig, vor allem im Bildungsbereich. Er vertiefte sich in Studien über die deutsche und die skandinavische Arbeiterbewegung. Auch an der Geschichte der KPO arbeitete er mit. Er stand der Gruppe Arbeiterpolitik nahe. Er war ein sportlicher Typ, der sich bedächtig seine Meinung zu bilden pflegte. Als wir ihn erstmals auf einer Jahreskonferenz trafen, war er um die 60 Jahre alt.

Dem Streit in der Gruppe, stand er anfangs ebenso ratlos gegenüber wie wir von der Nürnberger Gruppe. Als es über politische Meinungsverschiedenheiten und völlig unakzeptable Vorgehensweisen der Redaktion zur Spaltung kam, schlossen sich die meisten Opponenten 1971 der neugegründeten Gruppe Arbeiterstimme an. Mit Erwin Gräff hatten wir einen Mitstreiter, der in vielen Artikeln zum Gelingen unserer Zeitschrift beitrug. Als ständiger Autor über viele Jahre schrieb er vor allem über die schwedische KP und über die Arbeiterbewegung in Skandinavien. Er nahm meist zusammen mit seinem Genossen Ulli Cohn an den Jahreskonferenzen der Arsti teil, wobei er besonders jüngere Genossen mit seinem historischen Wissen und seiner marxistischen Herangehensweise befruchten konnte.