Fairer Wandel in der Metallindustrie?

Die IG Metall hat die Tarifbewegung 2020 eröffnet. Allerdings haben die großen Tarifkommissionen keine konkrete Forderung beschlossen. Man will „neue Wege“ gehen. Bereits Ende Januar hat deshalb der IGM-Vorstand auf seiner Jahrespressekonferenz in Frankfurt a.M. ein sogenanntes „Moratorium für einen fairen Wandel“ vorgeschlagen. Konkret heißt das, dass die Gewerkschaft ohne festgelegte Forderung in Verhandlungen mit den Metallarbeitgebern gehen will, wenn diese bereit sind einen „Tarifvertrag Zukunft“ abzuschließen. Dabei geht es um einen Pakt von tariflichen Instrumenten zur Beschäftigungssicherung. Es sollen Massenentlassungen, Standortverlagerungen und Betriebsschließungen verhindert werden. In dem Tarifvertrag „Zukunft“ sollen Regelungen zur Sicherung von Arbeitsplätzen festgeschrieben werden. Das bedeutet, dass die IG Metall über den Tarifvertrag, Einfluss auf Investitionen, Produkte und notwendige Qualifizierungsmaßnahmen für die Beschäftigten, nehmen will. Eine Absicht, die weit über bisherige Tarifverträge hinausgeht, da dies im Grunde die Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten wäre.

Arbeitsplatzsicherung im Vordergrund

Der Hintergrund für diesen Vorschlag ist die bereits begonnene Rationalisierungswelle durch die Digitalisierung der Produktion und durch die Verdrängung des Verbrennungsmotors durch den Elektromotor. Nach Einschätzung der Gewerkschaft sind alleine im Bereich der Automobilindustrie kurz- und mittelfristig mehr als 200.000 Arbeitsplätze gefährdet und insgesamt 58 Prozent aller Arbeitsplätze im Organisationsbereich der IG Metall sind davon stark betroffen und ersetzbar

Wohl deshalb appelliert die IG Metall angesichts dieser Entwicklung an die „Vernunft“ der Unternehmer und geht deshalb mit keiner konkreten Lohn- und Gehaltsforderung in die Tarifrunde. Die Arbeitsplatzsicherung soll im Vordergrund stehen. Der Tarifvertrag soll, so die erklärte Absicht, möglichst noch vor dem Ende der Friedenspflicht (28. April) stehen. Auch will man in dieser Zeit auf die Mobilisierung der Belegschaften verzichten.

Inzwischen haben in allen Tarifbezirken die Großen Tarifkommissionen grünes Licht für die vorgezogene Tarifrunde und für Verhandlungen gegeben. In den Gesprächen sollen folgende Ziele erreicht werden:

• Stärkung der Kaufkraft. Das heißt die Entgelterhöhung muss über der Inflationserhöhung liege.

• In den einzelnen Betrieben müssen Zukunftstarifverträge abgeschlossen werden, wenn dies die IG Metall verlangt. Inhalt der Verträge betreffen Produkte, Investitionen und Qualifizierung der Beschäftigten.

• Erweiterung der Altersteilzeit für mehr Beschäftigte.

• Tarifliche Regelungen für dual Studierende.

• Die Angleichung der Arbeitszeit im Osten an die des Westens.

• Einen Nachhaltigkeitsbonus zur Unterstützung der Mobilitätswende (etwa als Zuschuss für Bus und Bahn, Ökostrom usw.), der Mitglieder der Gewerkschaft bevorzugt

Im Zentrum der Gespräche bzw. der Verhandlungen sollen die Zukunftstarifverträge stehen. Untersuchungen der IG Metall zeigen, dass in vielen Chefetagen eine langfristige Unternehmensplanung unbekannt ist.

Vielmehr ist kurzfristiges Denken und Handeln die übliche Praxis. So berichten in nur 18 Prozent der Betriebe die Betriebsräte, dass es im Unternehmen eine Strategie zur anstehenden Digitalisierung der innerbetrieblichen Prozesse gibt. In 19 Prozent der Betriebe gibt es solche für Teilbereiche des Unternehmens. Im Rest der Betriebe wird offensichtlich vor sich hin gewurstelt. Das ist eine Haltung von Unternehmensführungen, mit der Betriebsräte häufig konfrontiert werden. Sind genügend Aufträge vorhanden, läuft der Betrieb rund. Dann scheint alles zu stimmen, denn die Profite sprudeln. Brechen die Aufträge weg, aufgrund konjunktureller oder struktureller Ursachen, dann reibt man sich verwundert die Augen und versucht sich auf Kosten der Belegschaften zu sanieren oder geht sogar in die Insolvenz. Deshalb scheinen die Überlegungen der IG Metall, schon vor dem Auftreten von Krisen und Problemen im Unternehmen, Einfluss auf dessen Politik zu nehmen, der richtige Weg zu sein. Und nicht erst, wenn das „Kind im Brunnen“ liegt und nur noch das letzte Mittel zur Vermeidung von Entlassungen bleibt, nämlich einen Sanierungstarifvertrag abzuschließen, indem tarifliche Leistungen zeitlich begrenzt außer Kraft gesetzt werden.

Mit solchen betrieblichen Zukunftstarifverträgen könnten die Unternehmen zu einer langfristigen Unternehmensplanung gezwungen werden und damit Beschäftigung gesichert werden. Das hört sich plausibel an – ist es aber nicht.

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Fragen?

Käme ein solcher Tarifvertrag zu Stande, würde dem Betriebsrat und der zuständigen Gewerkschaft ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Fragen und Angelegenheiten zugestanden. Aber genau ein solches Zugeständnis scheuen die Unternehmer, wie der Teufel das Weihwasser. Gegen die Ausweitung der Mitbestimmung haben sich die Kapitalisten in der Vergangenheit immer mit fast allen Mitteln gewehrt. Es ist deshalb schwer vorstellbar, dass es der IG Metall gelingt, einen solchen Tarifvertrag durchzusetzen. Mitbestimmung von Betriebsräten und IG Metall bei der Produkt- und Investitionsplanung – für die Kapitalisten geht das gar nicht. Bei aller Sozialpartnerschaft!

Im Betriebsverfassungsgesetz gibt es zwar Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte, doch handelt es sich bei diesen um nicht mehr als um Etikettenschwindel. So darf der Betriebsrat durchaus mitbestimmen z.B., in der Frage wie die Kantinenwände gestrichen werden sollen. Gelb oder blau. Doch wenn es darum geht, ob eine Abteilung geschlossen oder verlagert werden soll, ist es Aus mit dem Mitbestimmen. Da gilt alleine das Direktionsrecht des Unternehmers.

Bei den regionalen Metallarbeitgeberverbänden in Baden-Württemberg gibt es in dieser Frage auch bereits eine entsprechende Absage: „Es ist und bleibt unternehmerische Aufgabe, den Wandel und damit Innovationen und zukünftige Geschäftsmodelle zu gestalten. Dabei werden wir die Arbeitnehmervertreter im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen selbstverständlich mitnehmen.“

Zukunftstarifvertrag – aber wie?

Inzwischen haben sich die Tarifvertragsparteien in Baden-Württemberg zum ersten Mal zu Gesprächen getroffen, und es scheint so, dass dort die IG Metall einen Pilotabschluss plant. Aus Sicht von Südwestmetall verlief das Tarifgespräch konstruktiv. Ein weiterer Termin soll zeitnah folgen. Allerdings hat der Arbeitgebervorsitzende von Südwestmetall bereits angekündigt, wohin nach seiner Ansicht die Reise gehen soll. Den wichtigsten Punkt der IG Metall-Forderung – den betrieblichen Tarifvertrag zur Planung von Produkten, Investitionen und Qualifizierung – hat Wolf, wie beschrieben, zurückgewiesen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Metall- und Elektroindustrie steht für ihn und seine Verbandsmitglieder im Mittelpunkt eines zukünftigen Tarifvertrages. „Von daher sei auch klar“, so Wolf, „dass die Kaufkraft und damit die Binnenkonjunktur nicht wie von der IG Metall gefordert durch Lohnsteigerungen gestärkt werden könne.“

Trotzdem weisen die Unternehmer einen Zukunftstarifvertrag mit der IG Metall nicht kategorisch zurück. Aber offensichtlich scheinen sie unter einem „Zukunftstarifvertrag“ etwas völlig anderes zu verstehen als die IG Metall.

So lässt der Arbeitgeberverband, „Südwestmetall“ nach den Gesprächen in einer Pressemitteilung (20. Februar) beispielsweise verkünden: „Die Betriebe müssen erkennen, dass wir ein Paket schnüren, das die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen am Standort Baden-Württemberg dauerhaft stärkt und nicht verschlechtert. Nur dies ermöglicht es den Betrieben, dort wo es sinnvoll ist, Beschäftigung zu sichern.“ Deshalb würde „die Kaufkraft und damit die Binnenkonjunktur nicht wie von der IG Metall gefordert durch Lohnsteigerungen gestärkt werden, sondern durch starke investitionsfähige Unternehmen, die Arbeitsplätze am Standort sichern.“ Und der Verband der bayrischen Metall-und Elektroindustrie erklärt am selben Tag wie er sich die Zukunft vorstellt. So soll mit einem fixen Gesamtprozentsatz möglicher Entgeltbestandteile in einem (ebenfalls) fünfjährigen Moratorium, die konjunkturell schwierige Lage betriebsindividuell gemeistert und der laufende Transformationsprozess vor Ort gestaltet werden. Wie kann es auch anders sein: für Kapitalisten heißt „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit“ zuallererst „Senkung der Personalkosten“!

Ginge die IG Metall auf einen solchen Vorschlag ein, käme das ihrer Selbstkastration gleich. Der Unternehmervorschlag wäre für die Werktätigen einfacher ausgedrückt nicht nur Lohnstillstand, sondern Lohn- und Gehaltsabbau über einen Zeitraum von fünf Jahren. Für die anstehende Tarifrunde heißt das, dass die Tarifparteien in ihren Vorstellungen diametral auseinanderliegen. Und für die Gewerkschaft bedeutet das, will sie tatsächlich substanziell etwas erreichen, dass sie maximalem Druck in den Betrieben aufbauen muss. Mit sozialpartnerschaftlichem Gekungel geht Garnichts!

Unterschiedliche Ausgangslagen

Am 22. November des vergangenen Jahres mobilisierte die IG Metall Baden-Württemberg an einem Freitag in Stuttgart zu einer Demonstration und Kundgebung unter dem Motto „Jobabbau? Zukunftsklau? Halbschlau!“. Dem Aufruf der Gewerkschaft zu einem Aktionstag, der wohl als Teil der Vorbereitung der Tarifrunde 2020 gedacht war, folgten in Stuttgart mehr als 15.000 Kolleginnen und Kollegen. Thema war die drohenden Stellenstreichungen in der Automobil- und Zulieferindustrie, sowie natürlich die anstehende Transformation der Metall- und Elektroindustrie. Dem Aufruf waren deshalb so viele Beschäftigte gefolgt, weil die Auswirkungen der vor uns liegenden Transformation langsam sichtbar und spürbar werden. Der Stuttgarter Bezirksleiter Roman Zitzelsberger orientierte darauf, dass die Industrie die Transformation gemeinsam mit den Beschäftigten angehen müsse, und sie nicht als Deckmantel für Profitmaximierung benutzen dürfe. Das aber würde aktuell geschehen. Viele Unternehmen hätten Sparprogramme gestartet und zum Teil auch die Streichung von Arbeitsplätzen angekündigt und begännen diese zu vollziehen. Aktuell gäbe es alleine in Baden-Württemberg um die 160 Betriebe aus der Branche, die Einschnitte planten.

Überall wird umstrukturiert und abgebaut. So bei allen Automobilherstellern, bei Zulieferern wie Bosch, Mahle, Schuler, Voith, Continental, Schäffler und vielen anderen. Zwar schwächelt die Konjunktur seit den letzten Monaten etwas, was vor allem die Leiharbeitskräfte ausbaden müssen. Sie wurden inzwischen in großem Maße abgebaut. Doch haben nicht alle Betriebe gleichermaßen wirtschaftliche Probleme. In vielen Unternehmen sprudeln die Profite ungehemmt weiter. Und nicht wenige nutzen lediglich die Situation aus um ihre Profite zu erhöhen.

Trotzdem gibt es natürlich negative Konjunktureinflüsse und man weiß zurzeit auch noch nicht, wie sich die Corona-Problematik, auf die Konjunktur auswirken wird. Für die Unternehmer aber ist die Situation klar. Der Vorsitzende von Gesamtmetall, Rainer Dulger meint: „Die fetten Jahre sind vorbei“, denn die Branche befände sich in der Rezession. Dulger wirbt „für eine neue Bescheidenheit“, und wenn die Gewerkschaften diesen Weg nicht mitgehen, droht er „mit dem Ende des Flächentarifvertrags“. Lohnansprüche müssen seiner Ansicht nach zurückgeschraubt und Arbeitszeitverkürzung dürfe nicht weiter vorangetrieben werden.

Der Wind scheint sich gedreht zu haben. Den Eindruck erhält man auch, wenn man die Anfang Oktober letzten Jahres gescheiterten Verhandlungen zur Angleichung der Arbeitszeiten Ost, an die des Westens betrachtet. Die Unternehmer ließen die Verhandlungen platzen und die IG Metall muss das kommentarlos hinnehmen, weil in den Betrieben keine gewerkschaftliche Kraft vorhanden ist. Durch die Streikniederlage der IG Metall im Jahr 2003 ist es dort den Kapitalisten gelungen, die Gewerkschaft elementar zu schwächen große tariffreie Bereiche zu schaffen. In nur noch 10 Prozent der Betriebe gibt es zum Beispiel in Sachsen einen Tarifvertag. Für nicht wenige im Lager des Kapitals ist das auch eine verlockende Perspektive für die Branche in Westdeutschland. Und es entsteht der Eindruck, dass Teile der Unternehmer, die anstehende Transformation der Industrie als Chance sehen, die IG Metall und in der Folge alle Gewerkschaften, als Kampforganisationen deutlich zu schwächen und vielleicht sogar zu brechen.

Doch noch ist die IG Metall mobilisierungsfähig. Das wird sich sicher nach dem Ende der Friedenspflicht, Ende April in den Betrieben zeigen. Es ist nicht anzunehmen, dass bis dahin in den Gesprächen mit den Unternehmerverbänden etwas herauskommt, das man tatsächlich „Zukunftspaket“ für die Werktätigen nennen kann. Sozialpartnerschaft gibt es für die Kapitalisten nicht. Für sie zählen nur ihre Klasseninteressen!

Die IG Metall wäre gut beraten, wenn sie diese alte Erkenntnis ins Zentrum ihres Handelns stellen würde. Die vor ihr liegende Auseinandersetzung wird keine Tarifrunde wie in der Vergangenheit sein. Hier geht es um Grundsätzliches. Für sie geht es darum, ob sie auch noch in der Zukunft handlungsfähig ist, ob sie Gestaltungsmacht und Gegenmacht zur Kapitalmacht ist. Ab dem 28. April muss sie das zeigen!

11. März 2020

 

Kein Stein wird auf dem anderen bleiben

In einem Interview in der WELT wurde am 11. März 2020, Jörg Hofmann, der Vorsitzende der IG Metall zur aktuellen Tarifsituation befragt. Dort schilderte er recht dramatisch die Situation in der Metall-und Elektroindustrie. Es ginge um Hunderttausende Beschäftigte, die Opfer des strukturellen Umbruchs werden könnten, so Hofmann. Und deshalb müsse die Transformation so gestaltet werden, dass die Beschäftigten eine Perspektive hätten. Hofmann stellt in dem Interview fest, dass viele Betriebe nicht, oder nur schlecht auf den Umbruch vorbereitet sind. Deshalb sollen durch Zukunftstarifverträge Beschäftigung, Investitionen und Standorte gesichert werden. Hofmann stellt im Interview fest: „…die Veränderungswirkung von Digitalisierung und Dekarbonisierung auf die Branche ist enorm. Wir sehen ganz neue Geschäftsmodelle und Prozesse. In vielen Branchen wird kein Stein auf dem anderen bleiben. Man könnte eine Analogie ziehen zur Aufbauphase nach 1945. Das hat damals nur funktioniert, weil auch Betriebsräte und Gewerkschaften Verantwortung übernommen haben für diesen Prozess.“

Hier sei zunächst einmal festgestellt, dass unmittelbar nach dem Ende des Krieges die Kapitalisten überhaupt keine Verantwortung übernommen hatten. Es waren alleine antifaschistische Gewerkschafter, die die Betriebe, wo möglich, wieder zum Laufen brachten. Die Kapitalisten, kamen erst wieder aus ihren Löchern, als sie sahen, dass die westlichen Besatzungsmächte sie nicht für die Untaten des Faschismus zur Verantwortung ziehen würden und sie außerdem vor den Sozialisierungsforderungen der Arbeiterschaft schützten. Sicher liegt Hofmann in seiner Einschätzung, dass in vielen Branchen kein Stein auf dem anderen bleiben wird, richtig. Doch glaubt er wirklich, dass sich Geschäftsführungen in Betrieben, die unvorbereitet, oder nur ungenügend auf den Strukturwandel vorbereitet sind, mit verstärkter Sozialpartnerschaft in ihrem Handeln beeinflussen lassen? Dass die jetzt laufenden Tarifgespräche zu einem tragbaren Ergebnis führen ist daher stark zu bezweifeln.

Gesamtmetall hat ja bereits die Forderung nach mehr Mitbestimmung strikt angelehnt. Und dessen Präsident Dulger drohte bereits im vergangenen Jahr im Hinblick auf die Tarifrunde 2020 mit der weiteren Existenz des Flächentarifvertrages. Für ihn scheint die Sozialpartnerschaft obsolet zu sein. So meinte er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung: „Wenn alle Unternehmen die Tarifbindung verlassen, kann die Gewerkschaft zusehen, wie sie sich im Häuserkampf durchschlägt“ .Noch sind die Tarifgespräche nicht mit einer konkreten Forderung unterlegt. Das muss erfolgen, wenn die Gespräche ergebnislos abgebrochen werden.

Doch die Lage ist heikel. Wenn der Strukturwandel durch die Digitalisierung wirklich dazu führt dass, „kein Stein auf dem anderen bleibt“, kann die IG Metall diesen Prozess nicht alleine dem Markt überlassen. Dann müssen weitergehende Forderungen gestellt werden. Die Frage ist deshalb, warum die IG Metall nicht auf ihre eigene Satzung zurückgreift. Im Paragraph II ihrer Satzung hat sie sich selbst als Ziel und Aufgabe folgendes gegeben:

„Erringung und Sicherung des Mitbestimmungsrechtes der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Betrieb und Unternehmen und im gesamtgesellschaftlichen Bereich durch Errichtung von Wirtschafts- und Sozialräten; Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum.“

Natürlich weiß man in den Gewerkschaftsvorständen dass eine solche Forderung zurzeit von der Mitgliedschaft (noch) abgelehnt wird. Zulange hat die bürgerliche Propaganda auf das Bewusstsein der Arbeiterklasse eingewirkt, so dass sie oft nicht in der Lage ist die eigene Interessenslage zu erkennen. So hat vor kurzem der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert mit seinen Sozialismusthesen heftige Reaktionen ausgelöst. Seine Forderung Unternehmen wie BMW zu sozialisieren, brachte den BMW-BR-Vorsitzenden Schoch dazu, den Vorschlag zur Verstaatlichung von Konzernen als „unbegreiflich“ zurückzuweisen. „Für Arbeiter deutscher Unternehmen ist diese SPD nicht mehr wählbar“ sagte Schoch dem Magazin Wirtschaftswoche.

Nun ja, jeder blamiert sich so gut er kann. Aber das Beispiel zeigt auch, dass hierzulande die Arbeiterklasse nur an sich besteht und dass sie keine Klasse für sich ist. Das heißt, sie ist sich über ihre Rolle und über ihre historische Aufgabe innerhalb der bestehenden kapitalistischen Gesellschaft nicht bewusst. Dieses Bewusstsein wird sich erst entwickeln, wenn die Klassenkämpfe härter werden und die Widersprüche der kapitalistischen Produktion deutlicher sichtbar werden. Wenn der strukturelle Umbruch nicht zum Desaster für die Belegschaften werden soll, muss die IG Metall tatsächlich den Kapitalisten einen Teil ihrer Macht wegnehmen. Das wir nicht sozialpartnerschaftlich erreichbar sein. Das wird nur durch einen harten Klassenkampf möglich werden. Es wäre gut, wenn sich die IG Metall darauf vorbereiten würde.