Arbeitsminister Heil hat der Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, dessen zentraler Punkt der Schutz von Betriebsräten sein soll. Mit dem Entwurf kommt er den Forderungen der Gewerkschaften entgegen gegen kriminelle Aktivitäten von Seiten mancher Unternehme aktiv zu werden. Schon seit Jahren ist feststellbar, dass Unternehmer Betriebsratswahlen mit den fiesesten Mitteln, wie Abmahnungen, Mobbing und Kündigungen, zu verhindern suchen und oder bestehende Gremien, oft auch mit externen „Spezialisten“, Union Buster genannt, zu zerschlagen versuchen.

Die Folge dieser Unternehmerpolitik ist, dass heute in Westdeutschland nur noch 41 Prozent der abhängig Beschäftigten von einem Betriebsrat vertreten werden und im Osten 36 Prozent. Im Jahre 1996 lagen die Zahlen im Westen noch bei 50 Prozent und in Ostdeutschland bei 40 Prozent. Natürlich ist der Rückgang von Betriebsratsgremien nicht alleine den kriminellen Praktiken einzelner Unternehmer geschuldet, sondern auch dem mangelnden Bewusstsein der Beschäftigten über ihre Rolle im Betrieb und der Gesellschaft, sprich dem fehlenden Klassenbewusstsein. Sie sehen zum Teil die Notwendigkeit der Gründung eines Betriebsrates nicht. Doch handelt es sich hier sicherlich um eine Minderheit der abhängig Beschäftigten.

Unabhängig aber davon ist festzustellen, dass 15,6 Prozent der erstmaligen Betriebsratsgründungen von den Unternehmern behindert werden. Dabei ist die Behinderung einer Betriebsratswahl ein Straftatbestand, der nach §119 des Betriebsverfassungsgesetzes (BVG) mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden kann. Allerdings ist diese Behinderung kein Offizialdelikt, das heißt, die Staatsanwaltschaft muss nicht von sich aus bei Verstößen gegen das Gesetz aktiv werden. Und so ist auch kein Fall bekannt, wo eine Person aus dem Unternehmerlager im Knast landet oder gelandet ist.

Der Gesetzentwurf von Arbeitsminister Heil sieht im Wesentlichen vor, das sogenanntes „Vereinfachte Wahlverfahren“ auszuweiten. Das vereinfachte Verfahren wird bereits heute in Betrieben mit weniger als 50 Beschäftigten angewandt. Mit ihm sollen KollegInnen, welche die Initiative zur Gründung eines Betriebsrats ergriffen haben besser geschützt werden. Bislang gibt es diesen Schutz erst mit dem Einsetzen des Wahlvorstandes. Mit dem neuen Gesetz sollen bereits Aktivisten geschützt werden, die eine Betriebsratswahl vorbereiten.

Das vereinfachte Wahlverfahren kann schneller durchgeführt werden, da hier die Fristen wesentlich kürzer sind als im normalen Wahlverfahren. Letzteres erstreckt sich über mindestens sechs Wochen, das vereinfachte Wahlverfahren kann dagegen innerhalb von zwei Wochen abgeschlossen werden. Und das ist wohl auch der Hintergrund für die Ausweitung des vereinfachten Wahlverfahrens. Aggressive Unternehmer und die von ihnen beauftragte Union Busting-Kanzleien haben weniger Zeit ihr schmutziges Geschäft zu betreiben.

Neben der Vereinfachung von Betriebsratsgründungen sieht der Heil`sche Gesetzentwurf noch weitere Veränderungen des BVG vor. So soll bei Maßnahmen zur Berufsbildung die Mitbestimmung der Betriebsräte gestärkt werden. Dasselbe gilt für IT-Themen. Hier soll die Hinzuziehung von Sachverständigen erleichtert werden und schließlich sollen bei mobiler Arbeit (Homeoffice) die Betriebsräte ein Mitbestimmungsrecht erhalten.

Ob der Gesetzentwurf tatsächlich zum Gesetz wird ist noch fraglich. In der CDU gibt es vor allem von Seiten des Wirtschaftsflügels Widerstand gegen den Entwurf.

In der IG Metall-Mitgliederzeitung vom Februar, ist man der Meinung, dass der Gesetzentwurf in die richtige Richtung ginge, aber nicht weit genug. Nach Auffassung der Gewerkschaft hat sich die Arbeitswelt so stark verändert, dass die Mitbestimmung eine „Runderneuerung“ benötige.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist alles andere als ein großer Wurf. In der betrieblichen Praxis der Betriebsräte wird sich kaum etwas ändern. Auch wird die Schwächung der Betriebsräte und damit auch der Gewerkschaften durch ein solches Gesetz kaum aufgehalten. Es ist in der Tat so, dass die Digitalisierung die Arbeitswelt drastisch verändert und die Betriebsräte deshalb zusätzliche Mitbestimmungsmöglichkeiten brauchen.

 

Die Rolle des Betriebsrats

Es war im Jahr1972, als das BVG das letzte Mal novelliert wurde. Es war damals ein großer Fortschritt gegenüber dem BVG von 1952. In diesem waren die Rechte der Betriebsräte sehr beschränkt. Auch wurden den Gewerkschaften kaum Rechte eingeräumt. Selbst das Zutrittsrecht zum Betrieb wurde in Frage gestellt. Es war die sozialliberale Koalition die den „sozialen Rechtsstaat“ realisieren wollte. Dazu sollte das unübersichtlich gewordene Arbeitsrecht in einem Arbeitsgesetzbuch zusammengefasst werden. Übrig blieb dann von den großen Plänen das Betriebsverfassungsgesetz 1972, mit erweiterten Mitbestimmungsrechten bei sozialen Angelegenheiten, Personalangelegenheiten und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Auch wurden die Betriebsräte jetzt beteiligt bei Kündigungen.

Trotz gewisser Rechte des Betriebsrats ist das Gesetz weit entfernt davon, den Betriebsrat zu einem gleichberechtigten Partner einer Geschäftsführung zu machen. Denn in den wirklich wichtigen wirtschaftlichen Fragen hat der Betriebsrat nichts mitzubestimmen. Von der viel beschworenen Demokratie in der Wirtschaft kann also keine Rede sein. Die Aufgabe des Betriebsrats ist in §2 des Gesetzes fest gelegt. Dort steht:

„Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes zusammen.“

Der Betriebsrat ist also gesetzlich verpflichtet mit der Kapitalseite zusammenarbeiten, obwohl er in wirtschaftlichen Angelegenheiten nichts zu sagen und nichts zu entscheiden hat. Hier werden die tatsächlichen Machtverhältnisse in den Betrieben und der Gesellschaft vernebelt. Und das nicht ohne Erfolg. Das zeigt die Politik nicht weniger Betriebsratsgremien. Dort verstehen sich Betriebsräte als Co-Manager zu der jeweiligen Geschäftsführung und handeln im Zweifel immer pro Unternehmen.

Doch so muss es nicht sein. Das Gesetz kann auch für konsequente Betriebsräte, die sich am Interessen- oder Klassengegensatz zwischen Kapital und Arbeit orientieren ein wichtiges Werkzeug sein. In jedem Betrieb entstehen täglich aufgrund der Machtverhältnisse Konflikte. Hier bieten sich für Betriebsräte Möglichkeiten mit Hilfe ihrer Rechte aus dem Gesetz einzugreifen und die Konflikte an die Betriebsöffentlichkeit zu bringen. Nach dem BVG sind z.B. bis zu sechs Betriebsversammlungen möglich, in der Betriebsräte auf eine Belegschaft einwirken und diese agitieren können. In den Betrieben, in denen ein konfliktbereiter, konsequenter Betriebsrat vorhanden ist, wird der „Herr im Hause“-Standpunkt einer Geschäftsführung kleiner und die Vorgesetzten nehmen sich weniger Unverschämtheiten gegen einzelne KollegInnen heraus. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen. Eine solche Belegschaft wird selbstbewusster und kämpferischer.

Doch von alleine kommt eine solche Entwicklung kaum zu Stande. Den Anstoß dazu muss die entsprechende Gewerkschaft geben. So wurde zum Beispiel in den 70er und 80er Jahren des zurückliegenden Jahrhunderts die Bildungs- und Schulungsarbeit der IG Metall darauf ausgerichtet. In Lehrgängen für Vertrauensleute und Betriebsräte stand der Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit im Zentrum. Die Bildungsarbeit in der Form gehört heute der Vergangenheit an, wie insgesamt die politische Bildungsarbeit rückläufig ist. Doch gerade die anlaufende Tarifrunde in der Metall-und Elektroindustrie und der Stellenabbau in vielen Betrieben zeigen, dass die Widersprüche zwischen Kapital und Arbeit weiter wachsen und in der Folge die Sozialpartnerschaft in den Betrieben beschädigt wird. Der Widerstand gegen diese Politik des Kapitals wird immer drängender. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit die Betriebspolitik der Gewerkschaften, Betriebsräte und Vertrauensleute dieser Situation anzupassen.

Ob das geschieht bleibt abzuwarten.