Jahrhundertelang versuchten die Engländer, Irland zu erobern. Die Iren wurden von ihrem Land vertrieben, ihre Kultur und ihre Sprache wurden unterdrückt, aber immer schlugen sie zurück. Erst im 17. Jahrhundert gelang es den Engländern, Irland zu erobern. Der Sieg wurde erreicht durch große Brutalität von Oliver Cromwell und später von Wilhelm von Oranien. Dies war die Folge davon, dass die Bourgeoisie zur herrschenden Klasse geworden war. Das war aber erst der Beginn einer ruchlosen Jagd nach Profit, die zur Schaffung eines Weltreiches unterdrückter Nationen auf allen Kontinenten führte.

Das Landeigentum fiel in die Hände der protestantischen Landlords und Aristokraten. Die Iren konnten nur auf dem Land arbeiten, es aber nicht besitzen. Sie wurden diskriminiert; eine eigenständige kapitalistische Entwicklung wurde verhindert.

In Ulster, das als letzte der vier irischen Provinzen erobert wurde, war die Methode eine andere. Ab 1609 siedelte sich eine große Anzahl von Schotten aus dem Tiefland im Nordosten von Ulster an.

Diese Bauern erhielten gewisse Privilegien im Bezug auf die Pacht für ihre Farmen. So wurden sie zu verlässlichen Verbündeten der Engländer.

Die überwiegend aus Schottland stammenden Siedler waren Presbyterianer und andere protestantische Dissidenten von der Anglikanischen Kirche, die nur teilweise mit dem Katholizismus gebrochen hatte und der die Landlords angehörten, während die bisherigen irischen Landbesitzer und Bauern natürlich Katholiken waren. Die Siedler wurden von der Regierung in London verfolgt, aber als sie sahen, dass die vertriebenen Iren eine ständige Bedrohung für ihre Privilegien waren, unterstützten sie ihre Unterdrücker gegen die Einheimischen. Dies bildete die Grundlage für Klassenwidersprüche, die sich in religiösen Begriffen ausdrücken.

Im 18. Jahrhundert unterstützten die Engländer die Entwicklung der Leinenindustrie in Ulster, später dann die Schiffsbau- und Maschinenbauindustrie. Dies erlaubte die Entwicklung einer Bourgeoisie, die aus der presbyterianischen Siedlerschaft hervorging. Zu dieser Zeit war diese Bourgeoisie die fortschrittlichste auf den britischen Inseln. Unter der Führung von Theobald Wolfe Tone, der beeinflusst war von der Französischen und der Amerikanischen Revolution und vom demokratischen Ideal dieser Zeit, entstanden die United Irishmen.

Die United Irishmen wollten alle Menschen in Irland einen und die Unabhängigkeit von England erreichen. Um dieses Ziel zu erreichen, verbündeten sie sich mit dem revolutionären Frankreich. Aber dann wurden die revolutionären Elemente durch Bonaparte ersetzt. Die Hilfe für Irland kam zu spät und sie war nicht groß genug. Der Aufstand von 1798, der zum Erfolg hätte führen können, wurde niedergeschlagen. Die Niederlage der irischen bürgerlichen Revolution bedeutete nicht nur, dass die ökonomische Basis für eine unabhängige Kapitalistenklasse beseitigt wurde, sondern sie erlaubte auch die Entstehung von religiösem Sektierertum im Nordosten von Irland.

Mit der Einführung des Gesetzes über die Union von 1800 erhielt die in Belfast verwurzelte Kapitalistenklasse einen Zugang zum gesamten Britischen Empire. So wurde Belfast zu einem Teil des Industrie- und Wirtschaftsdreiecks Glasgow, Liverpool und Belfast.

Die Privilegien, die ursprünglich nur den Anglikanern gewährt worden waren, galten nun für alle Protestanten. Der Orden der Oranier, eine sektiererische Organisation zur Verteidigung der Interessen der anglikanischen Landlords, öffnete sich jetzt auch für die Presbyterianer und andere Dissidenten aus allen Klassen.

Von da ab wurde der Kampf für eine irische Nation von der entstehenden katholischen Bourgeoisie im Süden geführt. Diese schwache Klasse schloss unter der Führung von Daniel O´Connell einen Kompromiss mit dem Imperialismus. Sie nutzte die Massenbewegung, um Zugeständnisse und einige bürgerliche Rechte für bestimmte Katholiken aus der Mittelklasse zu erreichen. Das war 1829.

Irlands untergeordnete Position in Bezug auf England führte dazu, dass während der Kartoffelfäule von 1845 bis 47 wegen der Hungertoten und der Auswanderung die Bevölkerung Irlands um 25% abnahm. Gleichzeitig waren jedoch genug Nahrungsmittel da, die aber nach England exportiert wurden. Der Hass auf die englischen Landlords führte zu Unruhen und Revolten auf dem Land. Es bildeten sich neue revolutionäre Organisationen in der Tradition von Wolfe Tone: Young Ireland und die Irish Republican Brotherhood, besser bekannt unter dem Namen Fenians.

1848 unternahm Young Ireland einen schlecht organisierten Aufstand. Mit seinem Scheitern zerfiel die Bewegung. Einige der besten Leute im Umkreis von Young Ireland waren auch bei der Bewegung der Fenians. Sie organisierten eine Reihe von Aufständen, die aber alle scheiterten. Nur wenige der führenden Köpfe der Fenians erkannten die Notwendigkeit, die nationale Sache mit dem Kampf um das Land zu verbinden, darunter Michael Davitt. Obwohl es massenhafte Sympathie dafür gab, blieb es nicht mehr als eine militärische Verschwörung.

Viele Fenians waren auch bei der 1. Internationale dabei. Marx und ganz speziell Engels befassten sich mit dem Problem „England in Irland“. Es war Marx zu verdanken, dass die Internationale die verschiedenen Kampagnen für eine Amnestie für gefangengenommene Fenians stark unterstützte.

Die Landfrage führte zu einer weit verbreiteten Unzufriedenheit während des ganzen 19. Jahrhunderts. Dies hätte die Basis für eine nationale revolutionäre Bewegung werden können. Charles Stewart Parnell gründete in dieser Periode seine Home Rule Party. Deren Basis waren die Landarbeiter, aber sie konnte diese nicht gegen die Briten aufwiegeln, ohne selbst mit ihnen unterzugehen. Zu dieser Zeit gab es kein großes städtisches Proletariat, das die Bewegung auf dem Land hätte führen können. Die Home Rule Party wurde von John Edward Redmond übernommen und von denjenigen Teilen der Bourgeoisie, die in der Lage waren, Zugeständnisse vom Imperialismus zu erreichen.

Am Ende des 19. Jahrhunderts beschlossen die Briten, einige Zugeständnisse zu gewähren, um die Herrschaft in Irland aufrecht zu erhalten. Vielen Bauern wurde erlaubt, ihr Land von den englischen Eigentümern zurückzukaufen. Dies verwandelte sie in eine konservative Klasse. Zusätzlich versuchte die Regierung der Liberalen in London, ein Home Rule-Gesetz durchzubringen, um die Macht auf die neue irische Bourgeoisie zu übertragen, damit sie sich deren fortgesetzter Loyalität für die britischen Interessen versichern konnten. Dieses Vorhaben scheiterte aber.

Inzwischen hatte sich eine neue mächtige Kraft entwickelt: die irische Arbeiterklasse. Zwar war sie relativ klein, aber sehr militant. In dieser Periode spielten zwei Männer eine herausragende Rolle, nämlich James Connolly, ein marxistischer Theoretiker und Gründer der sozialistischen Republican Party und Jim Larkin, ein syndikalistischer Gewerkschaftsorganisator. Sie gründeten die Irish Transport and General Workers Union, führten eine Reihe von militanten Streiks an und organisierten dadurch die ungelernten Arbeiter in der ITGWU. Auf diese Weise schufen sie die moderne irische Gewerkschaftsbewegung.

1913 versuchten die Unternehmer von Dublin die Gewerkschaftsbewegung zu zerschlagen. Dagegen kämpfte die Bewegung unter Führung von Larkin und Connolly acht Monate lang. Obwohl sie nicht gewannen, war es keine wirkliche Niederlage, da die Bewegung immer noch existierte. Um den Streik gegen die Polizei und die Armee zu schützen, gründete die ITGWU ihre eigene Miliz, die Irish Citizens Army.

Connolly war einer der wenigen Marxisten in dieser Zeit, der die Wichtigkeit des Kampfes der unterdrückten Nationen gegen den Imperialismus verstand und die zentrale Rolle der Arbeiterklasse in diesen Kämpfen. Er erklärte, die irische Bourgeoisie „hat durch Investitionen tausend ökonomische Bänder, die sie an den englischen Kapitalismus binden … nur die irische Arbeiterklasse verbleibt als das nicht korrumpierbare Erbe des Kampfes für Freiheit in Irland.“

Er bekämpfte die Home Rule Party und machte sich lustig über diejenigen, die glaubten, dass die Unabhängigkeit glücklich machen werde: „Wenn jemand die englische Armee zurückziehen würde und die grüne Flagge über dem Schloss von Dublin hisste, dann wären diese Bemühungen vergeblich, wenn man nicht gleichzeitig mit der Organisierung einer sozialistischen Republik begonnen hätte. England würde nach wie vor über euch herrschen mittels seiner Kapitalisten, der Landlords und des enormen kommerziell-industriellen Apparates, den es in dem Land geschaffen hat.“

Bevor das Parlament in London das Home Rule-Gesetz verabschieden konnte, brach der Weltkrieg aus. Der Teil der herrschenden Klasse in Großbritannien, der von den Tories repräsentiert wurde, hatte sich stark gegen Home Rule gewehrt. Sie wurden unterstützt von den großen Landlords und der Kapitalistenklasse im Nordosten von Ulster, die eine Armee aufstellten und mit einem Aufstand gegen die britische Regierung drohten. Das britische Offizierskorps in Irland unterstützte sie.

Die Kapitalisten in Ulster und die großen Landlords riskierten, mit Home Rule alles zu verlieren und nichts zu gewinnen. Das Bedürfnis der schwachen Bourgeoisie im Süden nach protektionistischen Maßnahmen hätte zu Problemen beim Import ihrer Produkte auf die britische Insel geführt. Dies hätte das Empire [als Absatzmarkt] für sie verschlossen; der Ersatz wäre ein schwacher irischer Markt gewesen. Bei ihrer Revolte wurden sie unterstützt von den protestantischen Arbeitern und Bauern, die einen ökonomischen Ruin und den Verlust ihrer Vorrechte in einem vereinigten Irland befürchteten. In dem Maße, wie sich die Krise entwickelte, wurde die Teilung der Insel zum Thema. Der nordöstliche Teil von Irland würde nicht Teil eines irischen Staates sein. Die Nationalisten im Süden bauten ebenfalls eine Armee auf, um die Home Rule zu schützen.

Während Redmond und seine Gefolgsleute die britische Seite im Weltkrieg unterstützten, in der Hoffnung, nach dessen Ende Zugeständnisse zu erhalten, organisierte der militante Teil, der in der Irish Republican Brotherhood organisiert war, einen Aufstand. Sie sahen Englands Schwierigkeiten als Irlands Chance. Auch James Connolly dachte, dass die Zeit reif war und begann, für einen Aufstand zu agitieren. Er hatte vielfältige Gründe dafür: Er meinte, ein irischer Aufstand würde den Anstoß geben für ähnliche Aufstände in all den unterdrückten Ländern und deren Monarchen, Kapitalisten und Kriegsherren hinwegfegen. Wie Lenin wollte er die Zusammenarbeit, die international zwischen den Klassen herrschte, zerbrechen und die internationale Arbeiterbewegung auf Basis des Klassenkampfes neu aufbauen. Er wusste, dass eine Beteiligung von Irland [am Krieg] die reaktionärsten Tendenzen in beiden Staaten schaffen und verstärken würde. Das wollte Connolly vermeiden. Er wollte die Arbeiter an die Spitze der Auseinandersetzung stellen, obwohl er wusste, dass eine Niederlage wahrscheinlich war. Eine Niederlage im Kampf wäre besser, als gar nicht zu kämpfen.

Der Osteraufstand begann am Ostermontag 1916 damit, dass Padraic Pearse vor dem Zentralpostamt in Dublin die Irische Republik ausrief. Nur ein paar tausend Männer und Frauen waren dabei. Die Spitze der nationalistischen Freiwilligen hatte die Mobilisierung abgesagt, im Glauben, dass der Zeitpunkt nicht richtig war. Trotz ihres heroischen Kampfes gegen einen übermächtigen Feind wurde der Aufstand zerschmettert und im Blut ertränkt. Alle Anführer wurden hingerichtet bis auf die Gräfin Markiewicz. Schwer verwundet wurde Connolly, an einen Stuhl gefesselt, erschossen.

Der Osteraufstand war der Beginn einer neuen Periode im irischen Freiheitskampf. Die gemäßigten Nationalisten, von Redmond repräsentiert, wurden durch das militante Republikanertum weggefegt. Die treibende Kraft dieser Richtung war Sinn Féin. 1918 gewann Sinn Féin fast alle Parlamentssitze in Irland außerhalb des Gebietes, das heute die sechs Counties von Nordirland bildet. Die Abgeordneten von Sinn Féin boykottierten das Parlament in London. Stattdessen bildeten sie das irische Parlament in Dublin (Dáil Eireann), das die Republik von 1916 anerkannte und ein demokratisches Programm beschloss.

Die britische Regierung begann einen schrecklichen und brutalen Krieg, um die irische Republik zu zermalmen. Die Militärmacht des britischen Imperialismus wurde von den Freiwilligen der Irish Republican Army (IRA) bekämpft.

 

Die Teilung

1920 nahm das Parlament in London endlich das Home Rule-Gesetz an. Das bedeutete, dass es jetzt zwei Parlamente in Irland gab, die Grundlage für die Teilung. Im Juni 1921 rief David Lloyd den Präsidenten der Irischen Republik, Eamonn De Valera, dazu auf, eine Delegation nach London zu schicken, um über ein Abkommen zu verhandeln. Das tat die republikanische Regierung auch. Der Endzustand [des Vertrags], den die republikanische Verhandlungsdelegation akzeptierte, anerkannte das Recht der Regierung von Nordirland, sechs Counties im Nordwesten von Ulster aus dem Irischen Freistaat herauszulösen, welcher loyal zur britischen Monarchie bleiben solle. Der Vertrag übertrug einer Grenzkommission die Möglichkeit, die endgültige Grenze zwischen den zwei kleinen Staaten zu ziehen.

Es gab im irischen Parlament eine Mehrheit von 64 zu 57 Stimmen für eine Annahme des Vertrags. Ein Teil derjenigen, die dafür stimmten, darunter auch Michael Collins, glaubte, dass die Grenzkommission die katholischen Regionen der sechs Counties dem Freistaat zuschlagen würde. Der verbleibende Teil um Belfast herum würde ökonomisch nicht überlebensfähig sein und wäre so gezwungen, sich wieder mit dem Freistaat zu vereinigen. Die Dinge entwickelten sich aber anders und es stellte sich heraus, dass Lloyd George sie getäuscht hatte.

Ein Teil der Republikaner weigerte sich, den Vertrag anzuerkennen und plante, dagegen Widerstand zu leisten. Eine Mehrheit der IRA unterstützte die Gegner im Freistaat und der Kampf begann. Unter dem Druck von Churchill und mit Waffen, die die britische Regierung geliefert hatte, begann die Regierung des Freistaats einen Bürgerkrieg gegen die Republikaner unter der Führung von De Valera, [der aus Protest gegen die Anerkennung des Vertrages zurückgetreten war].

Der Bürgerkrieg endete 1923, als die Republikaner den Kampf einstellten und auf günstigere Zeiten warteten. Im Süden und im Westen, bei den radikalen kleinen Bauern, gab es Möglichkeiten [weiter zu kämpfen], aber allgemein war die Bevölkerung des Krieges müde. Die Politiker um De Valera repräsentierten die aufsteigende Bourgeoisie und waren nicht fähig, eine Führung zu bilden für eine Massenbewegung, die über ihre eigenen Klasseninstinkte hinausgehen würde. Die Arbeiterklasse hatte keine Partei, die eine Führung anbieten hätte können, da Connolly keine solche Partei hinterlassen hatte. Die irische Labour Party stand bei der nationalen Frage an der Seitenlinie und die Communist Party war zu klein und zu schwach.

 

Die sechs Counties (= Grafschaften)

Letztendlich traf sich die Grenzkommission, um die Grenze festzulegen „in Übereinstimmung mit den Wünschen der Einwohner, insofern sie mit den ökonomischen und geographischen Bedingungen übereinstimmen.“ (Artikel 12 des Vertrages) Aber die Einwohner wurden nie nach ihrer Meinung gefragt. Wäre das der Fall gewesen, dann wären Fermanagh und Tyrone, Counties mit einer großen katholischen Mehrheit, an den Freistaat gegangen. Teile der Counties Derry, Armagh und Down hatten ebenfalls eine große katholische Mehrheit, die logischerweise dem Freistaat zugeschlagen worden wäre. Aber selbst mit vier von den sechs Counties wäre der Staat im Norden ohne landwirtschaftliches Hinterland nicht überlebensfähig gewesen; und wären alle neun Counties von Ulster mit eingeschlossen gewesen, wären die Katholiken in der Mehrheit gewesen. Deshalb ließen die Briten diejenige Grenzlinie gelten, die beim Waffenstillstand existierte, den sie dem Freistaat aufzwangen. Dieser unterzeichnete die Vereinbarung im Dezember 1925.

Die sechs Counties waren ein Polizeistaat. Die Situation für die Katholiken kann durch die folgenden Zahlen illustriert werden: Es gab 428 Tote, 1.766 Verwundete, 8.750 wurden von ihrem Arbeitsplatz vertrieben, 23.000 verloren von 1921 bis 1922 ihre Wohnungen. Sie wurden von protestantischen Banden in Brand gesteckt, die von loyalistischen Politikern dazu ermutigt wurden. Der Special Powers Act entstand 1922 trotz der Tatsache, dass eine halbe Million Bürger sich der bloßen Existenz des Staates widersetzte und deshalb als subversiv betrachtet wurde. Dieses Gesetz erlaubte es den Behörden, Bürgerrechte nach Belieben aufzuheben. Sie konnten 1.) jeden ohne Haftbefehl verhaften, 2.) ohne Anklage oder Urteilsspruch einsperren, 3.) Hausdurchsuchungen jederzeit und ohne juristische Grundlage durchführen, 4.) den Notstand erklären und Zusammenkünfte, Versammlungen und Demonstrationen verbieten, 5.) körperliche Bestrafung erlauben, 6.) ein Schwurgerichtsverfahren verweigern, 7.) Personen verhaften, die als Zeugen gesucht wurden, sie in Gewahrsam nehmen und zwingen, auf Fragen zu antworten (Jeder, der sich weigert, eine Frage zu beantworten, macht sich eines Verbrechens schuldig), 8.) in private Eigentumsrechte eingreifen, 9.) Verwandte oder Rechtsbeistände vom Zugang zu einer Person abzuhalten, die ohne Prozeß eingesperrt war, 10.) die Autopsie eines Gefangenen verhindern, wenn er gestorben war, 11.) eine Person verhaften, die mündlich falsche Gerüchte verbreitete oder falsche Behauptungen aufstellte, 12.) das Erscheinen jeglicher Zeitung verbieten, 13.) den Besitz von Filmen oder Grammophonplatten verbieten, 14.) jede Person verhaften, die als subversiv betrachtet wurde.

Die Katholiken wurden um jeglichen wirklichen politischen Einflusses betrogen durch ständige Veränderungen bei den Wahlkreisen und dadurch, dass Protestanten mehr als eine Stimme gewährt wurde. Auf dem Wohnungssektor und in der Arbeit wurden sie diskriminiert, was viele zur Auswanderung veranlasste; und diese Politik wurde gefördert. Wenn sie Glück hatten, dann erhielten Katholiken die schlechtesten Jobs oder sie waren, noch schlimmer, nach wie vor zur Arbeitslosigkeit verdammt, bis sie auswanderten. So hofften die Loyalisten die Mehrheit im Staat zu bleiben. Wo Katholiken die Ordnung der Dinge in Frage stellten, hatte man eine Polizei, dominiert von Loyalisten, die sie klein hielten. Katholiken waren im nordirischen Staat Bürger zweiter Klasse in ihrem eigenen Land.

 

Der Freistaat

Die den Freistaat regierten, das waren der größte Teil der Bourgeoisie und die großen Landlords. Diese waren in Cumann Na nGaedhael organisiert („die irische Partei“; heute die Fine Gael, „die Schar der Gälen“). Obwohl sie formal Protektionisten waren, gaben sie diese Theorie auf wegen ihrer engen Verbindungen mit britischen Interessen, ihrem Zutritt zu deren Märkten und um Konflikte mit Großbritannien zu vermeiden. Der Freistaat wurde von Beginn an vom britischen Kapital dominiert.

Obwohl Sinn Féin und die IRA noch erhebliche Unterstützung hatten, boykottierten sie das Parlament, da ihre Abgeordneten keinen der zwei Staaten in einem geteilten Irland anerkennen wollten. Dies führte 1926 zu einer Spaltung, als eine bürgerliche Fraktion unter Führung von De Valera herausbrach und eine konstitutionelle republikanische Partei gründete, Fianna Fail („Soldaten des Schicksals“). De Valera bildete 1932 eine Regierung mit Unterstützung der kleinen Bauern, die wegen der Weltwirtschaftskrise und unter den Schulden, die sie bei ihren früheren englischen Landlords hatten, litten. Am Anfang wurde er von vielen Republikanern unterstützt, aber bald zeigte er eine rücksichtslose Seite, da er die IRA unterdrückte, sofern sie die britischen Interessen oder die Stabilität des Freistaats bedrohte. Er setzte die protektionistischen Maßnahmen um, die Cumann na nGaedhael fallengelassen hatte. Einen gewissen Erfolg hatte er dabei, Sektoren des irischen Kapitalismus zu schaffen, aber er bedrohte nie britische Interessen in Irland. Eine negative Folge des Protektionismus war der Rückgang beim Handel und den Löhnen. Das zeigte die Schwierigkeit auf, eine nationale kapitalistische Wirtschaft in einem relativ rückständigen Land aufzubauen, wenn die Weltwirtschaft von den imperialistischen Kräften dominiert und kontrolliert wird.

Wenige hundert Freiwillige der IRA gingen nach Spanien, um in den Internationalen Brigaden gegen den Faschismus zu kämpfen, während eine irische faschistische Bewegung, die mit Cumann nGaedhael verbunden war, eine Truppe schickte, um Franco im Bürgerkrieg zu helfen. Die Rumpf-IRA erklärte im 2. Weltkrieg Großbritannien den Krieg, aber daraus entstand nichts Positives. De Valera hielt den Freistaat neutral. Er befürchtete eine britische Invasion. Das vergaßen die Loyalisten im Norden niemals; auch nicht De Valeras Beileidsbekundungen bei der deutschen Botschaft beim Tod Hitlers. Sie ignorieren dabei die Tatsache, dass mehr Iren aus dem Freistaat als aus dem Norden als Freiwillige für die britischen Streitkräfte kämpften, um den Faschismus zu bekämpfen. Andere gingen nach Großbritannien und arbeiteten in der Industrie und anderen Bereichen.

Der Krieg gab der Wirtschaft im Norden Auftrieb wegen des Bedarfs an Schiffen, Maschinen, Kleidung und landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Aber der Boom der Nachkriegszeit und der wieder aufkommende Wettbewerb auf dem Weltmarkt führte zu einem Niedergang der traditionellen Industrien: Schiffsbau und Leinen. Die Hilfe aus Großbritannien führte zu einem Wachstum im Servicebereich, nicht aber in der Industrie. Die Arbeitslosigkeit blieb relativ hoch. Gleichzeitig fand ein Wechsel in den Beziehungen zwischen dem Königreich und der Republik Irland statt. 1958 gab Sean Lemass, der Nachfolger von De Valera, den Protektionismus und das Bestreben, einen nationalen Kapitalismus zu schaffen, auf. Er öffnete die Republik für fremdes Kapital. Später wurde ein anglo-irisches Freihandelsabkommen unterzeichnet und ein Antrag wurde gestellt, um der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beizutreten. Damals war der britische Imperialismus im Niedergang begriffen und er begann, nach Europa zu schauen. Das führte zu Investitionen in großem Umfang in der Republik. Dies machte es notwendig, den Staat im Norden zu reformieren und das Verhältnis zum Süden zu verbessern.

 

Die Bürgerrechte

In den 1960er Jahren stimmten die Premierminister der beiden irischen Staaten darin überein, dass Reformen stattfinden sollten, die die schlimmsten Diskriminierungen von Katholiken im Norden beseitigen würden. Das Problem war, dass es keine politische Partei gab, die die Reformen durchsetzen konnte. Die Mehrheit der Protestanten war in der Unionist Party organisiert. Eine kleine Labour Party organisierte einige protestantische Arbeiter, während eine Nationalist Party Katholiken aus der Mittelklasse organisierte. Elemente aus dem Kleinbürgertum und die protestantische Arbeiterklasse fürchteten, ihre begrenzten Privilegien zu verlieren. Sie wehrten sich gegen jede Veränderung der Verhältnisse.

Aber Teile der katholischen Mittelklasse begannen, sich für Reformen einzusetzen. Im Oktober 1968 veranstaltete das Civil Rights Movement, das 1967 gegründet worden war, einen Marsch, der von den Behörden verboten wurde. Die Führung der Bewegung gab auf, doch der Marsch wurde unter der Leitung von jungen, militanten Sozialisten durchgeführt. Die Gewalt der Polizei sorgte für internationales Aufsehen. Sie führte zu einer Radikalisierung der katholischen Massen, die vorher passiv gewesen waren. Die Proteste nahmen zu, wie auch die Gewalt. Katholische Gegenden in Derry und Belfast wurden angegriffen, nicht nur von protestantischen Hooligans, sondern auch von der Polizei und der paramilitärischen Polizei. Katholiken kämpften mit Steinen und Benzinbomben gegen bewaffnete Fahrzeuge, Maschinengewehre und CS-Gas. Sie verbarrikadierten sich selbst in ihren Vierteln.

1969 schickte die britische Labour-Regierung Truppen nach Nordirland, angeblich, um die Katholiken zu verteidigen, aber hauptsächlich, weil die Situation drohte, ganz Irland zu destabilisieren. Demonstranten in der Republik forderten, sie solle militärisch eingreifen. Teile der Regierung und die Armee waren entschlossen, das auch zu tun. Die britische Politik im Norden schwankte zwischen Reform und Unterdrückung. Die alte politische Struktur brach zusammen; die Unionisten teilten sich in zwei Parteien. Die Nationalist Party verschwand; sie wurde von der Social-Democratic and Labour Party und der Alliance Party ersetzt, die Mittelklassenelemente aus beiden religiösen Lagern vereinte. Die Repression konzentrierte sich auf den katholischen Teil der Arbeiterklasse, der sofortige Veränderungen wollte, und besonders auf die republikanische Bewegung.

Die loyalistische paramilitärische B-Spezialpolizei wurde aufgelöst, aber das Ulster Defence Regiment wurde mit fast den gleichen Leuten gegründet. Im Juli 1970 griffen britische Truppen die stark republikanisch geprägte Falls Road in Belfast an. Es kam zu einem 16-stündigen Kampf mit der IRA. Im August 1971 wurde wurde die Internierung ohne Gerichtsverfahren eingeführt. Sozialisten, Gewerkschaftsaktivisten und ältere Republikaner wurden interniert, da die Liste der Polizei , auf der sie standen, veraltet war. Auch Folterungen fanden statt. Das nordirische Parlament konnte die Reformen nicht einführen. So wurde es im März 1972 aufgelöst und die direkte Herrschaft durch London eingeführt. Jetzt waren 20.000 Mann britische Truppen und 15.000 lokale militärische Einheiten und Polizei involviert.

Der Bürgerrechtsmarsch in Derry am 30. Januar 1972 wurde mit Gewehrfeuer von britischen Truppen empfangen; 14 Marschierer starben. Das wurde als „bloody sunday“ bekannt. Der diensthabende Offizier gab den Feuerbefehl, aber hatte das an höherer Stelle jemand freigegeben? Die Behauptung, das Gewehrfeuer sei eine Antwort auf Gewehrfeuer der IRA gewesen, war falsch, da es ein solches nie gegeben hat. Verwandte der Toten kämpfen immer noch für Gerechtigkeit, aber die Tory-Regierung will ein Gesetz verabschieden, um die noch lebenden, verantwortlichen Soldaten zu schützen. (Passenderweise hat die Armee die benutzten Gewehre zerstört!) Das Ereignis verschaffte der IRA neuen Zulauf.

Der nächste britische Schritt war 1973 eine Wahl zu einer neuen Behörde, das die Exekutive für Nordirland werden sollte. Das war mit neuen Plänen für ein leitendes Gremium für Irland verbunden, welches die Republik Irland und die britische Regierung einbeziehen sollte. Allerdings sabotierte die loyalistische Mehrheit alle Reformen. Im Mai 1974 kollabierte die Exekutivbehörde, als ein Streik von loyalistischen Arbeitern den Staat paralysierte. In Wirklichkeit wurde der Streik von bürgerlichen Politikern geleitet. Um ihn aufrecht zu halten, wurde Gewalt angewandt; das führte zu einer Reihe von Toten. Die britische Armee weigerte sich, den Streik zu brechen. Die Strategie der Regierung war einmal mehr gescheitert.

Diese Politik wurde ersetzt durch „Kriminalisierung, Normalisierung und Ulsterisierung“. Das führte dazu, dass im März 1976 die republikanischen Gefangenen ihren politischen Status verloren und als „Kriminelle“ bezeichnet wurden. „Normalisierung“ hatte zum Ziel, dass die Menschen ein gewisses Maß an Gewalt als „normal“ akzeptieren sollen. „Ulsterisierung“ bedeutete, dass die britischen Truppen nach und nach abgezogen und durch lokale Kräfte ersetzt werden sollten, die dem Staat gegenüber loyal waren. Dies war ein Teil eines Deals zwischen Thatcher und Premierminister Charles Haughey (Fianna Fail) in Dublin im Dezember 1980, während des ersten Hungerstreiks von republikanischen Gefangenen.

Der nächste Hungerstreik wurde von Bobby Sands geführt. Zu der Zeit wurde er als Abgeordneter für Fermanagh und South Tyrone ins britische Parlament gewählt. Zwölf Teilnehmer starben, bevor sie das Ziel erreichten, wieder politischen Status zu erlangen. Obwohl Thatcher darauf bestand, diese Forderung nicht erfüllt zu haben, liefen die erreichten Zugeständnisse auf das selbe hinaus.

In dieser Periode tötete die IRA Polizisten und Gefängniswärter im Norden. Sie ließen Bomben an öffentlichen Orten in England hochgehen, die oft ganz normale Bürger töteten. Großbritannien unterhielt währenddessen ein geheimes Todeskommando, dessen Ziele bekannte republikanische Aktivisten im Norden waren. Der Erfolg der Hungerstreiks, um eine massenhafte Mobilisierung zur Unterstützung zu gewinnen, hatte Einfluss auf die Führerschaft der IRA. Es hatte eine Spaltung wegen ihrer Unfähigkeit gegeben, die katholischen Viertel zu verteidigen, als diese 1969 angegriffen wurden. Eine neue, jüngere Generation tauchte auf, die sich nach links entwickelte. In der Folge der Bombenanschläge der IRA in der City von London, die heftige Zerstörungen und große Beeinträchtigungen für das Banken- und Finanzzentrum nach sich zogen, soll die britische Regierung veranlasst haben, nach einer Verhandlungslösung für die Probleme im Norden zu suchen, statt nach einer militärischen Lösung. Jedenfalls wurde, mit Unterstützung der Clinton- Administration in den USA, das „Karfreitagsabkommen“ von John Hume (SDLP) und David Trimble (Ulster Unionist Party, Royalist) unterzeichnet, das Grundlage dafür war, die Regierungsmacht zu teilen. Schrittweise wurde danach die UUP durch die extremere DUP (Democratic Unionist Party) an den Rand gedrängt, genauso wie die SDLP von der Sinn Féin abgelöst wurde.

Die größere der Regierungsparteien stellte den Führer der Regionalregierung, die andere den Stellvertreter. Auf diese Weise wurde Ian Paisley Regierungschef in Nordirland und Martin McGuinness sein Vize. Ersterer gründete seine eigene Freie Prestbyterische Kirche, der andere war IRA Kommandant in Derry. Sie kamen aber wohl gut miteinander aus, denn auf allen gemeinsamen Fotos lachten sie und machten Späße.

Nachfolger von Paisley und McGuinness waren Arlene Foster und Michelle O'Neill. Foster trat nach parteiinterner Kritik zurück, sie habe sich „Homosexualität, Abtreibung und anderem“ zu wenig entgegengestellt. Seit dieser Zeit hat die DUP zweimal die Parteiführung gewechselt, aber sie weigert sich, Posten in der Regionalregierung anzunehmen wegen des Brexit-Protokolls, das von der britischen Regierung mit der EU ausgehandelt wurde. Danach ist der Norden in Bezug auf den Handel immer noch in der EU. Das macht den Royalisten Angst, die sich von Großbritannien abgeschnitten und zu nahe an der Republik fühlen. Inzwischen wurde bei den Wahlen Sinn Féin zur größten Partei, so wäre Michelle O'Neill eigentlich die Regierungschefin.

Die Tory-Regierung, momentan führerlos und paralysiert wegen Johnsons Rücktritt, droht immer noch damit, das Protokoll zurückzuweisen. Doch die EU weigert sich, die Vereinbarung zu ändern, so dass Waren, die nicht für die Republik bestimmt sind, nicht überprüft werden, wenn sie in den Norden kommen. 2021 feierten die Royalisten das hundertjährige Bestehen des Staates, aber auf längere Frist gesehen, sieht seine Zukunft beschränkt aus. In der Republik ist Sinn Féin die stärkste Partei im Dail, aber sie wird von einer Koalition ihrer traditionellen Gegner von der Macht ferngehalten. In den letzten Jahren hat sich die Republik enorm verändert. Die Macht der katholischen Kirche ist aufgrund zahlreicher Skandale enorm geschwächt: unverheiratete Mütter wurden gezwungen, ihre Babys abzugeben, sexueller Missbrauch von Kindern ist Thema und Heimkinder in der Obhut religiöser Orden starben aufgrund von Vernachlässigung. Das bedeutet, dass besonders junge Leute der Kirche den Rücken zuwandten. Ein Hauptgrund für Protestanten, eine Wiedervereinigung mit der Republik zu fürchten, fällt dadurch weg. Die aber liegt in der Zukunft, sie ist nicht aktuell.