Alle vier Jahre, so schreibt es das Betriebsverfassungsgesetz (BVG) vor, werden in Deutschland, vom 1. März bis zum 31. Mai, in tausenden Betrieben Betriebsräte gewählt.

Leider ist dabei festzustellen, dass die Zahl der Betriebe ohne Betriebsräte größer wird. Bundesweit gibt es nur in rund 10 Prozent der Unternehmen Betriebsratsgremien.

Für die Beschäftigten heißt das, dass in Westdeutschland 41 Prozent und im Osten rund 36 Prozent der Werktätigen, in einem Betrieb mit einem Betriebsrat arbeiten. Hier handelt es sich um einen Trend, der schon seit vielen Jahren sichtbar ist.

Ob es in einem Unternehmen einen Betriebsrat gibt oder nicht, hängt auch stark von der Branche ab. Am höchsten ist der Anteil der Betriebsräte in den Branchen Bergbau, Energie, Wasser und Abfall. Hier liegt der Anteil bei 80 Prozent. Die wenigsten Betriebsräte gibt es im Gaststätten- und Hotelgewerbe. Hier liegt der Anteil bei ungefähr 12 Prozent.

Wichtig aber ist, und das verzerren diese Zahlen etwas, dass in allen großen Konzernbetrieben Betriebsräte bestehen. Durch deren Arbeit werden Normen gesetzt, welche auch die Arbeitsverhältnisse in Betrieben ohne Betriebsräte beeinflussen.

Die zurückliegenden Betriebsratswahlen wurden in der Öffentlichkeit nur begrenzt wahrgenommen. Nur selten wurde in den Medien darüber berichtet. Trotzdem sollte man sie nicht unterschätzen. Betriebsräte sind für die abhängig Beschäftigten von großer Bedeutung. Weil nur dort, wo Betriebsräte bestehen, können die Rechte aus dem BVG, die zugunsten der Werktätigen wirken, umgesetzt werden. Außerdem sind sie für die Gewerkschaften die Zugangstür zu einem Betrieb. Ohne sie, wäre deren Arbeit um ein vielfaches schwerer.

 

Faschisten setzen sich nicht durch

Für die DGB-Gewerkschaften verliefen die zurückliegenden Wahlen erfolgreich. Ihre Listen bekamen in den meisten Betrieben die Mehrheit. Das gilt besonders für die IG Metall. In der Automobilindustrie wurden Ergebnisse von 80 Prozent und mehr erreicht. Dabei hatte man in den Vorständen der Gewerkschaften mit Sorge auf die diesjährige Betriebsratswahl geschaut. Das, nicht zuletzt deshalb, weil Meinungsumfragen besagen, dass die Anhängerschaft der AfD unter ArbeiterInnen besonders groß sei.

Schon bei den Betriebsratswahlen 2018, wie auch jetzt, sind, besonders in der Automobilindustrie, rechte Spalterlisten gegen die IG Metall angetreten. Sie gruppierten sich hauptsächlich um das neofaschistische „Zentrum Automobil“. Allerdings waren sie nicht besonders erfolgreich. Trotzdem konnten sie aber in verschiedenen Daimlerbetrieben, so in Untertürkheim, Sindelfingen und Rastatt, Mandate erringen. Es gelang ihnen ebenso bei Opel in Darmstadt und in Sachsen bei VW in Zwickau und bei BMW und Porsche in Leipzig. Auch in kleineren Betrieben, tauchten unter anderen Namen, rechte Listen auf. Ideologisch angesiedelt sind sie alle, mehr oder weniger, bei der AfD und in Ostdeutschland bei den sogenannten „Freien Sachsen“.

Ihre Taktik war und ist dabei immer die gleiche. Sie griffen und greifen den Unmut der Kolleginnen und Kollegen mit den Zuständen im Betrieb auf und geben die Schuld daran den gewerkschaftlich orientierten Betriebsräten und der jeweiligen Gewerkschaft. Die Unternehmensleitungen werden weitgehend von der Kritik ausgeschlossen. So schreibt das „Zentrum Automobil“ auf seiner Homepage: „In den kommenden Wochen und Monaten können sich mutige Kollegen in alternativen Kandidatenlisten zur Wahl aufstellen und so eine innerbetriebliche Opposition zu den großen Gewerkschaften wie IG Metall und ver.di aufbauen: Dafür haben wir Material zusammengestellt, Erklärfilme produziert, Texte vorbereitet und ein Online-Seminar eingerichtet. (…) Das Zentrum ist ein wachsendes Netzwerk alternativer Betriebsräte und bundesweit in allen Branchen und Industrien tätig.“

Im Jahr 2009 wurde das „Zentrum Automobil“ als eingetragener Verein gegründet. Der führende Kopf und Vorsitzende ist ein gewisser Oliver Hilburger, der bei Daimler-Benz in Untertürkheim beschäftigt ist. Hilburger hat weit verzweigte Kontakte zu den führenden Köpfen der „neuen“ Rechten. So sah man ihn schon gemeinsam mit Jürgen Elsässer vom neofaschistischen Compact-Magazin oder zusammen mit dem Pegidaanführer Lutz Bachmann auftreten. Auch mit Bernd Höcke von der AfD steht er in Kontakt. So forderte er 2017, auf einer Konferenz des Compact-Magazins zusammen mit Höcke, „die Deutungshoheit der IG Metall zu brechen“.

Das sollte offensichtlich bei den diesjährigen Betriebsratswahlen erfolgen. In seinem Telegramkanal geht Höcke auf die Wichtigkeit dieser Wahlen ein: „Die AfD Thüringen hat schon sehr früh erkannt, dass die parlamentarische Arbeit nur ein Teilaspekt eines gesamtgesellschaftlichen Aufbruchs sein kann“. „Dazu“, so Höcke, „gehöre auch der Kampf in den Betrieben gegen ‚das Establishment‘ der SPD-Gewerkschaften“. Schließlich fordert er seine Sympathisanten auf: „Bringen Sie sich ein! Treten Sie bei Betriebsratswahlen an! Brechen Sie das Monopol der ‚roten‘ Gewerkschaften!“.

Höckes Wahlkampfunterstützung für rechte Spalterlisten lief ins Leere. Die Dominanz der IG Metall in den Betrieben der Metall-und Elektroindustrie bleibt auch in den nächsten vier Jahren erhalten. Die Wahlergebnisse der Metaller liegen zwischen 70 und 100 Prozent. In der Metall- und Elektroindustrie sind weniger als 25 Mandate von mehreren zehntausend zu vergebenden Betriebsratsmandaten an rechte Spalterlisten gefallen.

Lediglich bei Daimler in Stuttgart-Untertürkheim konnte das „Zentrum Automobil“ leicht zulegen. Auf der Betriebsversammlung vor den Wahlen hatten Vertreter des „Zentrums“ noch damit geprahlt, dass sie mit ihrer Liste mehr als 25 Prozent der Stimmen bekommen würden. Am Wahltag waren es dann allerdings nur 15,8 Prozent. Sie gewannen damit ein weiteres Mandat und sind nun im Betriebsrat mit sieben Mandaten vertreten. An der Vorherrschaft der IG Metall ändert sich auch in Untertürkheim nichts. Sie hat mit großem Abstand die Mehrheit der Betriebsrats-Sitze.

Der Misserfolg der rechten Spalter ist offenkundig. Der Trend, Mandate zu verlieren, wirkte auch in Ostdeutschland. An den Automobilstandorten Zwickau, Chemnitz und Leipzig konnten sie sich nicht durchsetzen und verloren zum Teil massiv. Noch deutlicher zeigt sich ihr Misserfolg, dass sie in vielen Betrieben es nicht schafften eigene Listen aufzustellen.

Insgesamt sind deshalb die zurückliegenden Betriebsratswahlen positiv zu bewerten. Die Arbeit der Betriebsräte und Gewerkschaften wird offensichtlich – trotz vieler Schwachstellen – von den Werktätigen anerkannt. Man kann zwar nicht von einem gewachsenen Klassenbewusstsein sprechen, aber immerhin davon, dass die Werktätigen ihre Interessen nicht bei den neofaschistischen Spaltern, sondern bei den gewerkschaftlich orientierten Betriebsrats-Kandidaten aufgehoben sehen; sie sich also auf ihre eigene Klasse orientieren.

Dabei machen sie durchaus unterschiedliche Erfahrungen, weil auch in der Praxis, die Rolle des Betriebsrates in einem Betrieb äußerst unterschiedlich sein kann.

 

Rechte und Aufgaben des Betriebsrats

Die Grundlage der Arbeit eines Betriebsrates ist das Betriebsverfassungsgesetz. Nach diesem Gesetz hat der Betriebsrat darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften,Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen vom Arbeitgeber eingehalten werden. Das soll er tun, indem er mit dem „Arbeitgeber“, unter „Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs“ zusammenarbeitet. Das Gesetz gibt dazu den Betriebsräten eine Reihe von Rechten zur Hand.

So hat der Betriebsrat das Recht umfassend informiert zu werden, etwa über Entgelte, Löhne und Gehälter im Betrieb oder über den Einsatz von Leiharbeitern und Werkvertragsfirmen.

Der Unternehmer muss sich mit dem Betriebsrat bei verschiedenen Maßnahmen, die er einleiten will, beraten, ehe er sie umsetzen kann. Das gilt für die Gestaltung von Arbeitsplätzen, der Personalplanung, bei geplanten Betriebsänderungen, wie Änderungen der Betriebsorganisation, Einschränkungen und Stilllegung des Betriebes.

Des Weiteren ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung anzuhören. Geschieht das nicht, ist die Kündigung rechtsunwirksam. Unter bestimmten Voraussetzungen kann er dabei der Kündigung widersprechen. Verhindern jedoch, kann der Betriebsrat eine Kündigung nicht.

Schließlich hat der Betriebsrat bei sozialen Angelegenheiten eine Reihe von Mitbestimmungsrechten. Nur einige wenige seien genannt.

So bestimmt der Betriebsrat mit bei der betrieblichen Lohngestaltung, bei der Festsetzung von Akkord- und Prämiensätzen und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte. Der Betriebsrat bestimmt mit, ob im Betrieb Überstunden oder Kurzarbeit gefahren werden oder nicht.

Kommt bei solchen Fragen eine Einigung zwischen Betriebsrat und Unternehmen nicht zustande, kommt die Problemstellung vor eine außerbetriebliche Einigungsstelle. Sie ist in der Regel neben den Betriebsparteien auch mit Vertretern der zuständigen Gewerkschaft und des entsprechenden Arbeitgeberverbandes besetzt. Geleitet wird die Einigungsstelle von einem Vorsitzenden (meist ein von beiden Parteien akzeptierter Arbeitsrichters), der, wenn die Fronten verhärtet bleiben, einen verbindlichen Einigungsstellenspruch fällt.

So wie es auf dem Papier aussieht, hat der Betriebsrat also umfassende und weitreichende Rechte. Die betriebliche Realität sieht jedoch anders aus. Hier kann der Betriebsrat nach dem Gesetz eigentlich nur in sozialen Angelegenheiten tatsächlich mitbestimmen, Also banal gesagt, ob die Kantine einen grünen oder blauen Farbanstrich erhält. Bei Kündigungen, Rationalisierungen, bei Stilllegung oder Verlagerung eines Betriebsteils oder gar der Stilllegung des ganzen Betriebes, bei der Entscheidung was, wie und wo produziert wird, bei Investitionsentscheidungen, oder bei der Profitverteilung haben Betriebsräte nichts zu sagen. Solange Entscheidungen über solche Angelegenheiten alleine von Kapitalvertretern getroffen werden, kann von Mitbestimmung im Betrieb keine Rede sein.

 

Ohne Novemberrevolution 1918 – keine Betriebsräte

Die Geschichte des Betriebsverfassungsgesetzes ist eng verbunden mit der Novemberrevolution 1918. Ohne diese Revolution würde es heute keine Betriebsräte geben. Mit Beginn der Revolution entstanden, oft spontan, Arbeiter- und Soldatenräte als Organe des revolutionären Umsturzes. Es kam es zu einer breiten Rätebewegung, die alle gesellschaftlichen Bereiche umfasste. In der Rätebewegung wurden dabei zunehmend Forderungen und Ziele artikuliert, die auf eine umfassende Neuordnung in der Armee in der Wirtschaft und im Staat, also auf eine sozialistische Neuordnung, hinauslief.

Auf dem ersten Reichsrätekongress im Dezember 1918 beschlossen die Delegierten unter Anderem, möglichst schnell mit der Sozialisierung der Industrie zu beginnen. Die Arbeiterräte verbanden damit auch konkrete Beteiligungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten in allen Angelegenheiten des Betriebes und des Unternehmens. Die Sozialisierung sollte nicht einfach eine Verstaatlichung sein.

Die Umsetzung der Beschlüsse stieß auf massiven Widerstand der nach wie vor herrschenden Klasse. Es verwundert deshalb nicht, dass die maßgebliche Regierungspartei dieser Zeit, die SPD nichts tat um die Beschlüsse umzusetzen. Sie sorgte im Gegenteil dafür, dass die Beschlüsse entweder ignoriert oder auf unbestimmte Zeit verschoben wurden.

Das Ergebnis dieser Politik führte zu einer Radikalisierung großer Teile der Arbeiterschaft und zum Erstarken von USPD und KPD. Im Frühjahr 1919 kam es zu einer großen Streikbewegung in Deutschland und schließlich im März zum Generalstreik in Berlin mit bis zu einer Million Streikenden. Zentrale Forderung des Generalstreiks war die „Anerkennung der Arbeiterräte“.

Die Arbeiterräte sollten die Neuordnung in Deutschland sichern und ausbauen. Sie sollten in allen Betrieben eine eingehende Kontrolle ausüben und einen entscheidenden Einfluss auf Produktions- Lohn- und Arbeitsverhältnisse nehmen. Und schließlich sollte in einem weiteren Schritt die Sozialisierung umgesetzt werden.

Was dann geschah ist bekannt. Noske setzte seine Soldateska gegen die Arbeiter ein und ließ die Streikenden zusammenschießen. Damit war auch die Sozialisierung vom Tisch. Immerhin wurde in die Weimarer Verfassung die Möglichkeit der Sozialisierung von Unternehmen aufgenommen und das Bestehen von Räten garantiert. Aber das war nichts anderes als die übliche sozialdemokratische Verdummungspolitik.

Im Februar 1920 wurde dann das erste Mal ein Betriebsrätegesetz verabschiedet. Von einem entscheidenden Einfluss auf Produktions-, Lohn- und Arbeitsverhältnisse war keine Rede mehr. Vielmehr wurde im Gesetz als Leitlinie vorgegeben, der Betriebsrat habe „den Arbeitgeber in der Erfüllung der Betriebszwecke zu unterstützen“. Die Mitbestimmungsrechte der gesetzlichen Betriebsräte waren strikt auf soziale Belange beschränkt.

Und wie sieht es heute aus? Die Betriebsverfassung in der BRD wurde 1952 verabschiedet. Seither erfolgten verschiedene Änderungen und Ergänzungen. Dabei war die Novellierung des Gesetzes im Jahr 1972 unter der sozialliberalen Koalition die am weitest gehende. Doch am „scheindemokratischen Charakter“ des Gesetzes hat sich nichts geändert. Der „Herr im Hause“ war 1920 der Unternehmer und der „Herr im Hause“ ist im Jahr 2022 der Unternehmer. Musste der Betriebsrat 1920 den „Arbeitgeber zur Erfüllung des Betriebszweckes unterstützen“, so muss er mit ihm heute „vertrauensvoll zusammenwirken“. Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte gibt es, wie schon gesagt, alleine bei sozialen Angelegenheiten, damals wie heute. Bei ökonomischen Fragen darf der Betriebsrat zwar herummeckern. Das war es dann aber auch.

Und trotzdem. Obwohl das Betriebsverfassungsgesetz geschaffen ist um in den Betrieben die Sozialpartnerschaft zum Blühen zu bringen, bietet es für Betriebsräte auch die Möglichkeiten zu einer kämpferischen, an den Interessen der Belegschaften orientierten Politik. Deshalb kann in der Praxis, die Rolle der Betriebsräte recht unterschiedlich sein.

Das sieht die Mehrheit der Unternehmer wohl auch so. Für sie ist deshalb kein Betriebsrat besser als selbst der harmloseste, sozialpartnerschaftlich ausgerichtete Betriebsrat.

 

Unionbusting und Co-Management

Besonderes in mittleren und kleineren Betrieben wird das sichtbar. In der Mehrzahl der Betriebe gibt es dort, wie schon gesagt keine Betriebsräte. Und das liegt nicht primär am mangelnden Interesse der Beschäftigten. Denn oft ist es so, dass, wenn KollegInnen die Initiative zu einer Betriebsratswahl ergreifen, diese mit oft brutalen Mitteln bekämpft wird.

Unionbusting wird von den Unternehmern zur Verhinderung einer Betriebsratswahl, aber auch zur Bekämpfung eines schon bestehenden Betriebsrates, auf die Tagesordnung gesetzt. Dabei geht eine Unternehmensleitung direkt, oder mit Hilfe spezialisierter „Unternehmens-Beratern“ gegen die Initiatoren vor. Da wir gemobbt, bespitzelt, gelogen und entlassen. Keine Schweinerei wird ausgelassen. Dabei ist dieses Vorgehen ein Straftatbestand. Das BetrVG sagt, dass demjenigen, der eine Betriebsratswahl behindert, oder eine Arbeitnehmervertretung behindert oder durch Androhung von Nachteilen oder Versprechen von Vorteilen beeinflusst, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft wird. Soweit das Gesetz. Ob jemals ein Unternehmer oder einer seiner Unionbustern deswegen einsitzen musste ist nicht bekannt und auch wenig wahrscheinlich. Soviel zu den Werten für die diese Republik steht.

Die Kehrseite aggressiver Unternehmerpolitik gegen Betriebsräte ist die Sozialpartnerschaft. Hier werden Betriebsräte von der Unternehmensseite massiv umgarnt. Von Seiten der Betriebsräte kommt es hier wirklich zu der im Betr.VG vorgeschriebenen vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Kapitalseite. Diese aber arbeitet nur soweit mit den Betriebsräten „vertrauensvoll“ zusammen, solange es ihr nützt. Hier sehen sich Betriebsräte als Co-Manager und identifizieren sich voll mit den Unternehmenszielen. In der Praxis heißt das, Überstunden und Sonderschichten stoßen auf wenig Kritik. Der Einstellung von Leiharbeitern wird fast unbeschränkt zugestimmt. Fast jeder Wunsch der Unternehmensleitung wird erfüllt. Und alle Streitigkeiten, die aus den vorhandenen Interessengegensätzen resultieren, werden in der Regel konfliktfrei beigelegt. Besonders häufig finden wir diesen Betriebsratstyp bei den Automobilherstellern. Von den Belegschaften in diesen Betrieben wird ein solcher Betriebsrat allerdings weitgehend akzeptiert. Sorgt er doch mehr oder weniger regelmäßig für ansprechende Sonderzahlungen für die Belegschaften.

Dem stehen kämpferische Betriebsräte gegenüber. In ihrer Arbeit orientieren sie sich am Interessengegensatz von Kapital und Arbeit, also am Klassengegensatz. Das geht trotz der Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Kapitalseite. Denn die ist es, die in der Regel die Interessen der Werktätigen einschränken und begrenzen will. Und hier muss ein Betriebsrat, auch nach dem bestehenden Betr.VG, zu Gunsten der Beschäftigten eingreifen. Ein kämpferischer Betriebsrat nutzt die Möglichkeiten des Betr.VG offensiv, z.B. bei Arbeitszeitfragen in Verbindung mit einer Beschäftigungssicherung. Doch bietet das Gesetz für diese Arbeitsweise noch viele Möglichkeiten. Wichtig ist dabei, dass die Politik eines solchen Betriebsrats für die Belegschaft nachvollziehbar ist und dass er im engen Kontakt mit den KollegInnen steht und diese in hohem Maße gewerkschaftlich organisiert. Nur so ist es möglich eine kämpferische Politik zusammen mit der Belegschaft zu machen. Eine Unternehmensleitung sollte immer befürchten, dass bei der Maßregelung eines Betriebsratsmitglieds die Beschäftigten mit entsprechenden Aktionen antworten.

Leider ist der zuletzt beschriebene Betriebsratstyp in der Betriebsratslandschaft eine Minderheit. Verwunderlich ist das nicht. Spiegelt sich doch darin das mangelhaft entwickelte Klassenbewusstsein der abhängig Beschäftigten wider. Aber trotzdem gibt es diese Betriebsräte. Und in dem Geschäftsbereich einer Gewerkschaft setzen sie mit ihrer kämpferischen Haltung Beispiele und beeinflussen dadurch auch andere Betriebsräte und gewerkschaftliche Akteure.

Das ist auch gerade in der sehr nahen Zukunft absolut notwendig. Betriebsräte und deren Belegschaften müssen lernen sich zu wehren und zu erkennen, dass es zwischen den Klassen keine Sozialpartnerschaft gibt. Das ist sicher ein mühsamer Weg. Doch gibt es dazu keine Alternative. Die Autoindustrie, sowie die daran hängenden Industriebereiche, stehen durch die Klimakatastrophe und den Krieg in der Ukraine vor einer gewaltigen Umwälzung. Zehntausende Arbeitsplätze stehen zur Disposition. Dazu kommen Werksschließungen und Betriebsverlagerungen ins Ausland. Das wird alles auf Kosten der arbeitenden Menschen gehen. An einer sogenannten „sozialverträglichen Lösung“ hat das Kapital wenig Interesse. Auch Appelle an die Regierenden werden nichts bringen. Die einzige Möglichkeit eine solche Entwicklung zu beeinflussen ist Gegenwehr. Das heißt: die Betriebsräte und Gewerkschaften müssen in den Betrieben die Belegschaften auf diesen Widerstand vorbereiten und den Kampf organisieren. Die Alternative heißt Untergang!