Zum Oxfam Bericht 2023

Auch in diesem Jahr hat die Organisation Oxfam anlässlich des WWF in Davos den Bericht „Survival of the Richest“ zur sozialen Ungleichheit auf der Welt herausgebracht. Der Bericht macht deutlich, wie Konzerne und die reichsten Menschen der Welt in den derzeitigen Krisen extreme Gewinne machen, während der Großteil der Menschheit in wachsender Armut lebt.

Wir drucken einige Passagen des Berichts unkommentiert ab, sie sind deutlich genug. Die Zitate stammen, wenn nicht anders gekennzeichnet, aus dem Oxfam-Bericht.

Wen wundert es? Die Reichen werden immer reicher. Aber anscheinend nehmen die Medien dieses Jahr Rücksicht auf die emotionalen Befindlichkeiten der Superreichen, die doch ihren Reichtum am liebsten ganz im Verborgenen genießen. Denn sie berichteten weit weniger über die Ergebnisse des Berichts als noch im letzten Jahr. Oder sollte vermieden werden, dass bei manchen Bevölkerungsteilen, die nach drei Jahren Coronakrise und einem Krieg nicht mehr wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können, noch größerer Unmut entsteht?

Die NZZ unterstellte Oxfam jedenfalls, dassdie Beschäftigung mit den Reichen zunehmend obsessive Züge zeigt.“

Eine Neuerung ist dieses Jahr zu verzeichnen. Zum ersten Mal seit 25 Jahren haben extremer Reichtum und extreme Armut gleichzeitig zugenommen; des einen Gewinn, des anderen Verlust!

 

Wie schon Bertolt Brecht schrieb:

Reicher Mann und armer Mann

standen da und sah’n sich an.

Und der Arme sagte bleich:

Wär’ ich nicht arm, wärst Du nicht reich.“

 

Krisengewinne und soziale Ungleichheit steigt rasant

Seitdem der Ukrainekrieg die Energie- und Lebensmittelpreise stark ansteigen ließ, driften Arm und Reich noch schneller auseinander als bisher. Auch weil die Superreichen stark von der Krise profitiert haben: Im Kriegsjahr 2022 haben laut dem Bericht 95 Lebensmittel- und Energiekonzerne ihre Gewinne mehr als verdoppelt. Den Großteil dieser Übergewinne, nämlich 257 Milliarden Dollar, zahlten sie reichen Aktionärinnen und Aktionären aus. Die darüber hinaus für ihre Milliardengewinne immer weniger Steuern zahlen müssen.

rund 828 Millionen Menschen – also etwa jeder zehnte Mensch auf der Erde – hungern; Frauen und Mädchen machen fast 60 Prozent der hungernden Weltbevölkerung aus. Nach Angaben der Weltbank erleben wir die wohl größte Zunahme der weltweiten Ungleichheit und Armut seit dem Zweiten Weltkrieg….

Die multiplen Krisen unserer Zeit haben verheerende Konsequenzen für die Mehrheit der Menschheit. Hunderte Millionen Menschen sehen sich mit einem dramatischen Anstieg der Kosten für Güter des täglichen Bedarfs konfrontiert und sind von Armut und Hunger bedroht. Und während die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen noch immer viel Leid verursachen, zerstört die Klimakrise die Lebensgrundlagen von immer mehr Menschen.

Gleichzeitig bringen die Krisen auch einige wenige Gewinner*innen hervor. Konzerne machen Rekordgewinne und die reichsten Menschen werden noch reicher, was zu einer Explosion der sozialen Ungleichheiten führt, die immer extremere Ausmaße annimmt.“

 

UNRISD FLAGSHIP REPORT 2022 (United Nations Research Institute for Social Development)

Die aktuellen extremen Ungleichheiten, Umweltzerstörung und generelle Krisenanfälligkeiten sind kein Fehler im System, sondern ein essenzieller Bestandteil davon. Nur ein groß angelegter Systemwandel kann diese verheerende Situation lösen.”

 

Ursachen für Ungleichheiten liegen im Wirtschaftssystem

Die tieferen Ursachen dieser sich verschärfenden Ungleichheit liegen in unserem Wirtschaftssystem, dessen handlungsleitendes Prinzip es ist, Profite für Konzerne und ihre Eigentümer*innen vor die konsequente Einhaltung der Menschenrechte und den Schutz der Erde zu stellen. Die multiplen Krisen verstärken dieses Prinzip tendenziell und die meisten Regierungen ergreifen seit Langem und auch jetzt keine wirkungsvollen Maßnahmen, um mit ihm zu brechen.

Die Regierungen sind in der Verantwortung, die extreme Ungleichheit zu beseitigen und die Weichen hin zu einem Wirtschaftssystem zu stellen, in dem das Gemeinwohl aller über dem Profit einiger Weniger steht.

Viele Regierungsentscheidungen haben eine Verschärfung der Ungleichheit sogar begünstigt. So wurden beispielsweise Steuern für reiche Privatpersonen und Unternehmen immer weiter gesenkt oder zugelassen, dass die Billionensummen, die zur Krisenbewältigung in die Volkswirtschaften gepumpt wurden, zu einem großen Teil den Reichsten zugutekamen.“

Manuel Schmitt, Referent für soziale Ungleichheit bei Oxfam Deutschland, kommentiert: "Während Millionen Menschen nicht wissen, wie sie Lebensmittel und Energie bezahlen sollen, bringen die Krisen unserer Zeit gigantische Vermögenszuwächse für Milliardär*innen. Jahrzehntelange Steuersenkungen für die Reichsten und Unternehmen auf Kosten der Allgemeinheit haben die Ungleichheit verschärft und dazu geführt, dass die Ärmsten in vielen Ländern höhere Steuersätze zahlen als Milliardär*innen. Unser Bericht zeigt erneut: Dass von Steuersenkung für die Reichsten alle profitieren, ist ein Mythos. Konzerne und ihre superreichen Haupteigentümer*innen müssen endlich ihren fairen Beitrag zum Gemeinwohl leisten." (Berliner Zeitung)

 

Krisen und Krisengewinne in Deutschland

Besonders in Deutschland ist das Vermögen sehr ungleich verteilt. So besitzt das reichste Prozent der hiesigen Bevölkerung rund ein Drittel des Gesamtvermögens, die untere Hälfte gerade einmal 2,5 %. Angesichts der hohen Inflation ist zu erwarten, dass die ärmere Bevölkerungshälfte bald sogar noch schlechter dasteht.“ (DGB-Klartext Nr. 02/2023)

„…Schon vor der Corona-Pandemie und den steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen hatte Deutschland eine der im Vergleich zu anderen EU- oder OECD-Ländern höchsten Ungleichheit der privaten Vermögen. Die reichsten zehn Prozent besitzen 67 Prozent des gesamten Privatvermögens, das reichste Prozent 35 Prozent und allein die reichsten 0,1 Prozent ca. 20 Prozent. Die ärmsten 50 Prozent der Bevölkerung besitzen mit nur 1,3 Prozent kein nennenswertes Vermögen, viele von ihnen haben kaum oder gar keine Rücklagen für schwere Zeiten oder sind sogar verschuldet. Die Auswirkungen der multiplen Krisen treffen sie besonders hart: Die Inflation und historisch hohe Reallohnverluste bringen immer mehr Menschen in eine finanzielle Notsituation. Der Sparkassenverband schätzt, dass bald bis zu 60 Prozent der deutschen Haushalte ihr monatliches Einkommen komplett für die Lebenshaltung einsetzen müssen, also nichts mehr zurücklegen können. 2021 noch traf dies „nur“ für 15 Prozent der Haushalte zu. Das lässt befürchten, dass auch die Armut weiter zunehmen wird.“

Prof. Marcel Fratzscher, Präsident des DIW Berlin

Die soziale Schere geht momentan weiter auf, und zwar noch stärker als in der Pandemie [...] Die rekordhohe Inflation zum Beispiel wirkt extrem unsozial, weil Menschen mit geringem Einkommen viel stärker darunter leiden.“

 

„… Infolge der Mehrbelastungen während der Corona-Pandemie, z.B. durch die (teilweise) Schließung von Schulen und Betreuungseinrichtungen, sahen sich insbesondere viele Frauen gezwungen, ihre Erwerbstätigkeit (weiter) zu reduzieren oder aufzugeben, was die bestehenden Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen vergrößern dürfte.“

 

Wege aus der Ungleichheit

Ein zentraler Baustein ist die Besteuerung der reichsten Bevölkerungsteile, insbesondere des reichsten Prozents, das 45,6 Prozent des weltweiten Vermögens besitzt. Sie ist ein entscheidender Schritt, um extreme Ungleichheit in den Griff zu bekommen und Regierungen den finanziellen Spielraum zu geben, um für alle Menschen zugängliche Gesundheits-, Bildungs- und soziale Sicherungssysteme zu schaffen und in Geschlechtergerechtigkeit und antirassistisches Handeln zu investieren.

Konzerne und ihre superreichen Haupteigentümer*innen müssen endlich ihren fairen Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Wir fordern von der Bundesregierung eine systematische und weitreichende Besteuerung von Krisengewinnen und eine höhere Besteuerung reicher Menschen, um mit den Einnahmen Armut und Ungleichheit weltweit zu bekämpfen:

Durch eine Übergewinnsteuer exzessive Krisengewinne von Konzernen für die breite Gesellschaft nutzbar machen:
Die sich aus der derzeitigen Krisenlage ergebenden Übergewinne vieler Konzerne müssen mit hohen Steuersätzen von mindestens 50 Prozent besteuert werden. Die bisherigen Planungen für eine Abgabe auf Zufallsgewinne greifen zu kurz.

Mit einer Vermögenssteuer die Reichsten in die Verantwortung nehmen:
Die Vermögenssteuer muss wieder eingeführt werden und es braucht angesichts der aktuellen Krisensituation eine einmalige Abgabe auf sehr hohe Vermögen. In Deutschland wird Vermögen im internationalen Vergleich bislang unterdurchschnittlich besteuert.

In Bildung, Gesundheit, soziale Sicherung und Geschlechtergerechtigkeit investieren:
Es braucht mehr Investitionen in den Ausbau von Bildungs-, Gesundheits- und sozialen Sicherungssystemen und in die Stärkung von Frauenrechten. In der Entwicklungszusammenarbeit müssen die entsprechenden Mittel erhöht werden.“

 

Der Bericht ist zu finden unter: oxfam_factsheet_davos-2023_umsteuern.pdf

 

Doch welche gesellschaftlichen Kräfte könnten dafür sorgen, dass diese Vorschläge umgesetzt werden, um zumindest die schlimmsten sozialen Ungerechtigkeiten anzugehen?

Der DGB nimmt den Bericht zum Anlass, um seine Forderungen für ein gerechtes Steuersystem zu bekräftigen, durch welches sehr hohe Einkommen und Vermögen, gemessen an ihrer Leistungsfähigkeit, mehr zum Allgemeinwesen beitragen sollen. „Hierzu zählen z.B. die Wiedererhebung der Vermögensteuer, die Abschaffung von Privilegien in der Erbschaft- und Schenkungsteuer und eine stärkere Besteuerung von Kapitaleinkommen….“

Schluss mit Steuerprivilegien für Reiche

Angesichts der großen gesellschaftlichen Herausforderungen, wie dem demografischen Wandel, der sozial-ökologischen Transformation der Wirtschaft oder dem Fachkräftemangel, können wir uns Steuerprivilegien für Reiche nicht mehr leisten. Die öffentliche Hand braucht Einnahmen – für eine moderne Infrastruktur, gute Bildung und eine intakte Umwelt, von der alle profitieren.

Wer soll das durchsetzen?

Starke Gewerkschaften können Ungleichheit bekämpfen Mitbestimmung, Tarifbindung und Mindestlohn sind entscheidende Faktoren, wenn es um die Verteilung zwischen Löhnen und Gehältern einerseits und Unternehmens- und Vermögenseinkommen andererseits geht. Dafür braucht es starke Gewerkschaften. Klar ist aber auch: Die Vermögenskonzentration ist inzwischen so groß, dass sie direkt angegangen werden muss. (DGB-Klartext Nr. 02/2023)

 

Wir sind gespannt, wie der DGB das machen wird!