Kein Ostphänomen

Es war ein Paukenschlag. Mitte Juni dieses Jahres stellte eine Forsa-Umfrage fest, dass die AfD in den ostdeutschen Bundesländern die stärkste politische Kraft sei. Die Umfragewerte der Partei liegen bei 32 Prozent, so hieß es, im Westen dagegen nur bei 13 Prozent. Dann kam es Schlag auf Schlag. Der Präsident des Gemeinde- und Städtebundes Thüringen, ein CDUler, sprach sich für eine Zusammenarbeit mit der AfD aus und pinkelte damit an die „Brandmauer“ der Bundes-CDU. Und schließlich schaffte es Robert Sesselmann, ein Fraktionskollege Höckes im thüringischen Landtag, in das Amt des Landrats im Kreis Sonneberg. Im ersten Wahlgang erhielt er rund 47 Prozent der Stimmen und lag damit 11 Prozent vor dem zweitplatzierten Kandidaten der CDU, in der Stichwahl reichte sein Vorsprung reichlich.

Inzwischen ist nicht zu übersehen: die AfD ist im Osten klar die stärkste politische Kraft. Die anderen Parteien sind deutlich abgeschlagen. Und daran wird sich auch nichts ändern, wenn sich die Politik auf Bundes- und Landesebene nicht grundsätzlich ändert.

Die Frage, warum die AfD in Ostdeutschland so erfolgreich ist, stand und steht im Raum. Die entsprechenden „Analysen“ und Untersuchungen von bürgerlicher Seite ließen nicht lange auf sich warten. Eine Studie der Universität Leipzig gibt zum Beispiel Aufschluss darüber. Danach hat die Demokratie bei den Menschen im Osten einen schweren Stand, was auch an deren Erfahrungen aus der DDR liege. Die Studie führt die Neigung der Ostdeutschen, die AfD zu wählen auf deren DDR-Sozialisierung zurück.

Bei anderen Erklärungen des „Phänomens“ steht an erster Stelle der massive Zuzug von Asylbewerbern in die Republik. Der RBB (Rundfunk Berlin Brandenburg) schreibt auf seiner Website am 12. Juni: „Zusammengefasst treibt die Angst vor dem Verlust von Herkunft und Identität viele Menschen im sozial relativ homogenen Osten der AfD zu“. So ist es also: die Ostdeutschen sind anfälliger für ausländerfeindliche und reaktionäre Parolen. Die Studie der Universität Leipzig scheint das zu bestätigen. Danach seien die Menschen vor allem in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt auffällig. In diesen Bundesländern wünsche sich jeder Zweite eine „starke Partei“, die die „Volksgemeinschaft“ verkörpert, als Alternative zur pluralistischen Parteien-Demokratie. Zwei Erkenntnisse stellt die Studie in ihren Mittelpunkt. Es heißt darin: „Insbesondere in Mitteldeutschland gibt es einen hohen Anteil von Menschen mit rechtsextremen Einstellungen sowie nur einen geringen Anteil von Menschen, die rechtsextremen Thesen eindeutig widersprechen. In einzelnen Bundesländern werden Aussagen mit eindeutig rechtsextremem Inhalt nur von 20 bis 30 Prozent zurückgewiesen". Zweitens: „empfindet sich zwar eine Mehrheit der Befragten als Demokraten, doch mit der Demokratie, wie sie die Menschen in ihrem Alltag erleben, ist eine große Mehrheit unzufrieden“. Soweit die Leipziger Uni-Studie.

Andere Analysen, Untersuchungen und Studien weisen in die gleiche Richtung. Das geschieht nicht selten mit westlicher Überheblichkeit. Unausgesprochen meint man da in bestimmten Kreisen, die „Ossis“ müssten erst noch lernen, was Demokratie ist.

 

Ein weiterer Paukenschlag

Anfang Oktober fanden in Hessen und Bayern die Landtagswahlen statt. Und welche „Überraschung“. In Hessen liegt die AfD mit 18,4 Prozent an zweiter Stelle, hinter der CDU. Und in Bayern wachsen die Stimmen für die AfD ebenfalls deutlich an. Mit 14,6 Prozent (Landtagswahlen 2018:10,2 Prozent) wird sie die drittstärkste Partei im bayerischen Landtag, hinter CSU und Freien Wählern. Eine freudestrahlende Alice Weidel stellt vor laufenden Fernseh-Kameras am Wahlabend fest: „Die AfD ist kein Ostphänomen mehr“.

Wo die Weidel Recht hat, da hat sie recht. Die These, wonach das Erstarken der AfD vor allem das Ergebnis der DDR-Sozialisation der Menschen sei, ist also so nicht mehr haltbar. Es muss andere Gründe geben, die die Partei für einen Teil der Wählerschaft anziehend macht. Die Wahlforscher bekommen die Antwort, viele AfD-Wähler wollten mit der Stimmabgabe zu Gunsten der AfD den restlichen Parteien eine Absage erteilen und vor allem der Bundesregierung einen Denkzettel verpassen.

Der Grund für den Wunsch, einen solchen Denkzettel zu erteilen, ist schnell gefunden. Die FAZ ließ in einem Artikel kürzlich einen Rentner aus Nordhausen in Thüringen zu Wort kommen, der sein Engagement für die AfD erklärte. Er meinte, es gehe ihm beschissenwegen der Migranten, die Deutschland „übersiedeln“, den „korrupten Politikern“ und dem „grünen Dreckszeug, diesen Schwätzern“. Alles wird immer nur teurer, die Mieten, das Brot, die Heizung; die Ukrainer kriegen alles und er mit seiner mickrigen Ost-Rente viel zu wenig“.

Dieser Mann spricht ein Thema an, das in den gängigen Analysen und Studien kaum eine Rolle spielt, nämlich die herrschenden sozialen Verhältnisse. Nach den beiden Landtagswahlen in Bayern und Hessen schrieb der Berliner Tagesspiegel:Besonders erfolgreich ist die Rechtspartei bei den „kleinen Leuten“, also im Milieu der Arbeiterschaft, der Angestellten und der Selbstständigen mit eher geringem Einkommen, die entweder Hauptschulabschluss oder mittlere Reife haben. Bei Menschen ohne Abitur liegt der AfD-Anteil bei einem Fünftel bis einem Viertel. Bei Akademikern mit einem Hochschulabschluss wählen allerdings auch noch etwa zehn Prozent rechts außen“. Auch hier wird nicht auf die konkrete soziale Situation dieser Menschen eingegangen. Für die Zeitung ist deren Wahlverhalten eher ein Bildungsproblem.

Dabei bestätigt der Artikel geradezu die Motivation dieser Wählergruppe, die AfD zu wählen. Sind es doch die sogenannten kleinen Leute und das „Arbeitermilieu“, das zurzeit die Folgen der bundesdeutschen Politik auszubaden hat. Untersuchungen bestätigen das. Es sind überdurchschnittlich häufig Männer im Alter zwischen 45 und 59 Jahren und Arbeitslose, die die AfD wählen. Ihr Einkommen ist meist gering oder liegt im mittleren Bereich. Und ihre ökonomische Lage verschlechtert sich zunehmend in Folge der allgemeinen Preisentwicklung. Alles wird teurerer. Vor allem die Lebensmittelpreise reißen große Löcher in die Haushaltskassen. Hier ist die Inflationsrate ungefähr doppelt so hoch wie der offiziell ausgewiesene Prozentsatz. Das führt konkret zu Reallohnverlusten bei den abhängig Beschäftigten, zumal die zurückliegenden Tariferhöhungen deutlich unterhalb der Inflationsrate blieben. Die Wut auf die Bundes- und Länderregierungen wächst, ist doch deren Politik die Ursache für die Explosion der Preise. Der Krieg in der Ukraine und die darauffolgenden Sanktionen gegen Russland haben Rückwirkungen auf die Wirtschaft und die abhängig Beschäftigten. Während die Wirtschaft aber die gestiegenen Preise weiterreicht, bleiben sie bei den abhängig Beschäftigten hängen. Sie sind es, die die Zeche bezahlen.

Das alles geschieht in einer Zeit, in der die Industrie vor großen Umbrüchen steht. Der technische Wandel hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Mobilität wird in vielen Betrieben zu Personalabbau führen. Zum Teil hat er schon begonnen. In nicht wenigen Bereichen stehen Standortverlagerungen und massive strukturelle Veränderungen an. Manche Ökonomen sprechen gar von einer Deindustrialisierung Deutschlands. Es wundert deshalb nicht, wenn bei vielen Menschen die Verunsicherung steigt. Es geht ihnen ökonomisch schlecht und sie sehen für sich und ihre Familien keine Perspektive. Für den ostdeutschen Bereich gilt dies in verschärfter Form. Hier sind nicht wenige noch geradezu traumatisiert von den Ereignissen Anfang der 1990er Jahren, als die Industrie der ehemaligen DDR großflächig zerschlagen und eine brutale Form des Kapitalismus eingeführt wurde. Das alles soll in ihren Augen jetzt in anderer Form erneut beginnen?

 

Tarifflucht des Kapitals

Inzwischen hat diese Entwicklung auch den Westen erreicht. Die Zahl tarifflüchtiger Unternehmer wächst auch dort seit Jahren ungebremst. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und Untersuchungen des DGB berichten, dass in der Gesamtwirtschaft der Anteil der Beschäftigten in tarifgebundenen Betrieben von 1996 bis 2022 in Westdeutschland um 26 Prozentpunkte, in Ostdeutschland – ausgehend von einem deutlich niedrigeren Niveau – um 23 Prozentpunkte gesunken ist. Diese Entwicklung ist weitestgehend auf den Rückgang der Branchentarifbindung in der Privatwirtschaft zurückzuführen, denn die Tarifbindung im öffentlichen Sektor blieb im betrachteten Zeitraum weitgehend stabil. Das hat zur Folge, dass nur noch die Hälfte aller Beschäftigten tarifvertraglichen Regelungen unterliegt. Berücksichtigt man dann noch, dass der gesamte öffentlichen Dienst zu 98 Prozent tarifgebunden ist, wird die traurige Misere in der Privatwirtschaft sichtbar. Besonders negativ ist die Lage der Beschäftigten in den Unternehmen in Ostdeutschland. Sieht man von den Automobilfabriken in Zwickau und Leipzig und der Mikroelektronikindustrie in Dresden ab, gibt es kaum noch Betriebe mit mehr als 1000 Beschäftigten. Mittlere und kleine Unternehmen haben keine Tarifverträge. Die Löhne und Gehälter, die dort bezahlt werden, hängen weitgehend vom „guten oder bösen Willen“ der entsprechenden Unternehmensleitung ab. Aber alle handeln natürlich gemäß ihren Interessen und versuchen die Entgelte so weit wie möglich zu drücken.

 

Betriebsratsfreie Zonen

Auf betrieblicher Ebene regelt das Betriebsverfassungsgesetz die Interessenvertretung der Beschäftigten. Dort obliegt den Betriebsräten die Umsetzung und Überwachung geltender Tarifverträge, die von Gewerkschaften und Arbeitgebervertretern ausgehandelt werden. Da die meisten Unternehmer weder ein Interesse an Tarifverträgen noch an Betriebsräten haben, versuchen sie ihre Betriebe betriebsratsfrei zu machen und zu halten. Denn besteht ein Betriebsrat, hat es eine Gewerkschaft leichter, sich Zutritt zum Betrieb zu verschaffen und die Belegschaft für sich zu gewinnen. Um ihr Ziel zu erreichen, scheuen die Unternehmer fast keine Mittel, oftmals auch keine kriminellen, bestehende Betriebsräte in ihrer Arbeit zu stören und die Gründung neuer Betriebsräte zu verhindern. Die Unternehmer sind bei dieser „Arbeit“ durchaus „erfolgreich“. So stellt das IAB in einer repräsentativen Erhebung fest, dass nur 41 Prozent der westdeutschen und 36 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten in Betrieben mit einem Betriebsrat arbeiten. Die Konsequenzen für die davon betroffenen Beschäftigten sind beachtlich. In einem Betrieb, in dem kein Betriebsrat besteht, ist der einzelne Beschäftigte letzten Endes der Willkür einer Betriebsleitung ausgeliefert. Es kann dabei schlimm zugehen, wie viele Einzelbeispiele zeigen. Selbst wenn eine Geschäftsführung eine „vernünftige“ Personalpolitik betreibt, wird der Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit nicht aufgehoben. Und es gibt keine institutionelle Macht, die den Kapitalinteressen etwas entgegensetzt.

 

Das Sein und das Bewusstsein

Nur eine Minderheit der in der Privatwirtschaft (ab fünf Beschäftigte) tätigen Beschäftigten arbeitet in Betrieben, die sowohl einen Betriebsrat haben als auch einem Branchentarifvertrag angehören. Dieser Bereich umfasst nur ein knappes Viertel (24%) der Beschäftigten in Westdeutschland und gerade noch ein Siebtel (14%) in Ostdeutschland. Der Rest der abhängig Beschäftigten arbeitet ungeregelt und ohne die Möglichkeit, die eigenen Interessen über einen Betriebsrat zu vertreten. Geringe Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen sind der Alltag dieser Menschen. In der alltäglichen Politik gibt es sie nicht, da kommen sie nicht vor. Da stellt sich ein Ohnmachtsgefühl ein, eine Wut auf „die da oben“ und gegen anonyme Kräfte, die ihnen das Leben schwer machen. Es war Karl Marx, der festgestellt hat, dass die ökonomische Entwicklung Veränderungen in den sozialen Beziehungen, der Kultur und Politik nach sich zieht. Er prägte den Satz „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“. Und das hat sich bei dem AfD-Wähleranteil, der aus der Arbeiterklasse kommt, konkret verändert. Diese Wähler wollen so wie bisher nicht mehr weitermachen. Sie wollen, dass sich grundsätzlich etwas ändert. Und da bietet sich die AfD an. Allerdings wählen sie mehrheitlich die AfD nicht, weil diese faschistische Tendenzen aufweist, sondern weil es die Partei ist, auf die Alle, von den Medien bis zu den anderen Parteien, aufgeregt reagieren.

 

Problemlöser AfD?

Die AfD stellt sich als Problemlöser dar, der die Sorgen des „kleinen Mannes“ aufgreift. Dabei dockt sie geschickt an die in der Bevölkerung bestehende Ausländerfeindlichkeit an und macht Migranten, Asylbewerber und Flüchtling zu Sündenböcken. Angeblich sind auf diese alle Probleme der Gesellschaft zurückzuführen. Auch geht die Partei dabei davon aus, dass sich ihre Wählerschaft nicht intensiv mit ihrer Programmatik beschäftigt. Denn würde sie das tun, würde sie feststellen, dass fast alles, was die AfD vertritt, sich gegen ihre eigenen Interessen richtet. Die AfD steht für eine extrem neoliberale Wirtschafts- und Finanzpolitik. Sie setzt sich in fast allen Bereichen für Steuersenkungen und gegen Steuererhöhungen ein. Die Besteuerung großer Vermögen lehnt sie ab, den Solidaritätszuschlag für die Spitzenverdiener will sie komplett abschaffen. Das Gleiche gilt für die Wirtschaftspolitik, bei der die AfD generell die Rolle des Staates beschneiden und die Macht des Marktes vergrößern will. Würde sie ihre Forderungen durchsetzen., ginge es den eigenen Anhängern schlechter. Doch das ist für die AfD-Wähler aktuell kein Problem. Mit ihrer Wahlentscheidung wollen sie Druck auf die Bundesregierung ausüben, was ihnen offensichtlich auch gelingt.

 

Problemlöser DGB?

Offensichtlich ist auch den Gewerkschaften und dem DGB der Zusammenhang von Wahlverhalten und sozialer Lage der abhängig Beschäftigten aufgefallen. In einer Mitte November 2023 erschienen Studie geht der DGB darauf ein. Von den Unternehmern fordert dort der Gewerkschaftsbund, den Negativtrend bei der Tarifbindung zu stoppen. Eine Kampagne „Tarifwende“ soll dazu beitragen. Diese richtet sich im speziellen an die Bundesregierung. Die Ampelparteien hatten in ihrer Koalitionsvereinbarung mehrere Initiativen zum Thema Tarifbindung angekündigt. So sollte ein Bundestariftreuegesetz dafür sorgen, dass öffentliche Aufträge nur noch an Firmen vergeben werden dürfen, die tarifgebunden sind. Des Weiteren soll es neue Regeln zur Fortgeltung von Tarifverträgen bei Betriebsausgliederungen sowie der Schaffung eines digitalen Zugangsrechts für Gewerkschaften in die Betriebe zum Zwecke der Stärkung der Mitbestimmung geben. Passiert ist bis jetzt allerdings nichts, stellt der DGB in der dazu anberaumten Pressekonferenz fest. Das DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell meinte dort: Diese Entwicklung wollen und dürfen wir nicht länger hinnehmen, wenn wir unser Sozial- und Wirtschaftsmodell erhalten wollen“. An die Unternehmer richtete er den Appell, „ihrer gesellschaftlichen Verantwortung wieder gerecht zu werden – und im Übrigen auch dem eigentlichen verfassungsmäßigen Auftrag: mit uns gemeinsam Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu verabreden“. Und das Ganze sollte dann, so die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi, „mit uns in eine neue Phase der Sozialpartnerschaft (…) treten“. Sozialpartnerschaft! Als gäbe es Sozialpartnerschaft nicht schon im Überfluss. Sozialpartnerschaft verdeckt die Interessengegensätze zwischen Kapital und Arbeit. Sie ist Teil des Problems. Sie bewirkt, dass abhängig Beschäftigte die politische Orientierung nicht finden. So haben beispielsweise die Gespräche zur Inflationsbekämpfung in der „konzertierten Aktion“ der Bundesregierung Anfang dieses Jahres ganz sicher dazu beigetragen, dass die Gewerkschaften in Tarifverhandlungen Zugeständnisse bei den Entgelterhöhungen gemacht haben. Die Gespräche zwischen Bundesregierung, Unternehmern und Gewerkschaften waren in den Medien kein großes Thema und auch die Ergebnisse wurden nicht ausführlich publiziert. Aber es ist schon seltsam, dass alle folgenden Tarifabschlüsse von der Inflation übertroffen wurden. Das ist Sozialpartnerschaft in der Praxis. Dabei war die Bereitschaft der Beschäftigten, in eine Auseinandersetzung zu gehen, sichtbar vorhanden. Ein Erzwingungsstreik zur Durchsetzung einer Forderung wäre in vielen Gewerkschaften möglich gewesen. Selbst wenn die nicht tarifgebundenen Betriebe dabei nicht einbezogen gewesen wären, wäre das auch für die dort Beschäftigten ein Signal gewesen, selbst aktiv zu werden. Hätten sie doch gesehen, dass man viel erreichen kann, wenn man organisiert, solidarisch zusammensteht und für eine Sache im eigenen Interesse kämpft. In einem Streik wird für die Kämpfenden klar, auf welcher Seite sie stehen. Sicher hätte sich nicht bei allen abhängig Beschäftigten die politische Haltung geändert. Auch weiterhin wären bei Teilen von ihnen konservative und fremdenfeindliche Einstellungen wahrscheinlich. Aber bei vielen wären diese zurückgedrängt worden und einer AfD wäre es schwerer gefallen, in dieses Arbeiter- und Angestellten-Milieu einzudringen.

 

Wie es weitergeht, lässt sich nur schwer vorhersagen. Die Industrie und viele Betriebe und damit die Beschäftigten stehen vor großen Herausforderungen. Der technische Wandel hin zu klimaneutraler Wirtschaft und E-Mobilität hat große Auswirkungen. Es wird zu den schon beschriebenen Veränderungen in den Betrieben und der Industrie kommen. Und das bedeutet, dass es auch zu Abwehrkämpfen kommen wird. Der Ausgang dieser Kämpfe ist allerdings nicht gewiss. Sie werden abhängig sein von den Kräfteverhältnissen, die die Belegschaften zusammen mit ihren Gewerkschaften entwickeln. Erreichen aber die Beschäftigten eine Sicherung ihrer Arbeitsplätze und beeinflussen sie den beabsichtigten Wandel positiv, wird das ihr Selbstbewusstsein deutlich stärken. Eine Partei wie die AfD ist dann für diese Menschen weniger attraktiv.