Am 15. November starb unser Genosse Hans Steiger in Nürnberg. Er war Mitgründer der Gruppe Arbeiterstimme und damit der letzte seiner Generation in unseren Reihen. Sein über viele Jahre gewonnenes Wissen, seine unschätzbare Erfahrung und sein nimmermüder Einsatz für eine bessere, eine sozialistische Zukunft prägten unsere Gruppe nicht nur über die Jahrzehnte, sondern halfen uns, Rückschläge und Enttäuschungen, die unsere Arbeit begleiteten, zu analysieren und in produktiver Weise umzusetzen. Seine Art, den Menschen zugewandt zu sein und zu bleiben, war für uns und unsere politische Reifung essenziell. Diskussionen und Auseinandersetzungen, die in der Sache auch hart sein konnten, führten nicht zur persönlichen Verletzung. Auch wenn sich die politischen Wege trennten, konnte man sich immer noch ins Gesicht sehen. Der tiefe, gelebte Humanismus, der so stark mit seinen Kindheits- und Jugenderfahrungen im und nach dem Krieg zu tun hatte, war uns Anschauung und Vorbild zur gleichen Zeit. Wir werden ihn nicht vergessen.
Wir lassen Hans in dieser Arbeiterstimme noch einmal selbst zu Wort kommen und wollen ihn damit in einer ihm angemessenen Weise ehren.
Was im letzten Editorial gesagt wurde, gilt fort: die nationalen wie internationalen Probleme, die sich über Jahre festgefressen haben, wirken nach wie vor weiter. Von auch nur interimistischen Lösungen kann keine Rede sein. Das gilt für den Krieg im Libanon, wo die Waffenruhe jederzeit zugunsten weiterer Säuberungen abgebrochen wird. Das gilt für den Krieg in der Ukraine, in dem neue Waffensysteme mit noch vernichtenderer Wirkung eingesetzt und gleichzeitig Nebelkerzen zu möglichen Verhandlungen – oder unmöglichen Verhandlungen – wie Sylvesterknaller in die Luft gejagt werden. Die Neuwahl des Ex-Präsidenten in den USA, der im Januar sein Amt antritt, hat die politische Klasse aufgeschreckt. Wir befassen uns in einer ersten Analyse mit dem Wahlerfolg des alten republikanischen Nach- Nachfolgers.
Die Ampel ist ausgefallen, sie blinkt nicht mehr gelb und dem Kanzler wird dieser Tage, mehrheitslos wie er ist, das Misstrauen bescheinigt werden. Deutschland wird eine neue Regierung bekommen und die alten Probleme behalten. Im Gegenteil, nach allen vorliegenden Fakten werden die Probleme erheblich zunehmen, das Wirtschaftswachstum dagegen nicht.
Unser Kopfartikel beschäftigt sich mit dieser Zäsur.
Unsere Jahreskonferenz fand im Oktober statt. Wir dokumentieren in dieser Nummer die Mehrzahl der behandelten Themen anhand aussagekräftiger Vortragstexte im Zusammenhang.
Eine Schilderung des Konferenzverlaufs soll einen ersten Eindruck vermitteln.
Mit der Frage „Was ist im Osten los?“ ist der erste Themenkomplex umschrieben.
Viele Aspekte, wie die Wahlen in ostdeutschen Bundesländern, der weitere Aufstieg der Rechtsextremen, die Gründung und der relative Erfolg des BSW, die innenpolitischen Verschärfungen und die, auch mediale, Kriegsrüstung sollten und wollten besprochen werden. Hilfreich und interessant war das Thesenpapier eines österreichischen Genossen zum Wahlerfolg der FPÖ und ihrer politischen Strategie.
Der einschlägige Artikel dazu bearbeitet die Thesen selbst weiter.
Der Genosse Harald Jentsch gab Einblick in seine Forschungsarbeit zur kommunistischen Opposition in der Weimarer Republik und dem faschistischen Deutschland unter dem Titel „Das Verhängnis ultralinker Politik unter vor- (bzw. nicht-) revolutionären Bedingungen“. Anlass und Aufhänger dazu stellte die Biografie über Robert Siewert dar, der in der KPO die Oppositionsarbeit wesentlich mittrug, dessen Lebensweg über KZ und Flucht ins Exil und schließlich in die Ostzone und die DDR führte. Wir haben das Werk von Harald Jentsch („Robert Siewert. Eine Biographie“) in der Arbeiterstimme 223 rezensiert. Werk wie Rezension seien der Leserschaft zur Lektüre empfohlen, es lohnt sich.
Das mühselige Kapitel „Gewerkschaften und Friedensfrage“ stand im Anschluss auf dem Programm. Ähnlich einer Springprozession folgt auf einen Schritt nach vorne mindestens einer wieder zurück. Dank der Ausführungen konnte man doch Erfolg versprechende Ansätze identifizieren. Auch der Bericht eines Genossen der Arbeiterpolitik über die Stuttgarter Gewerkschaftskonferenz „Waffen runter, Löhne rauf“ konnte Zuversicht vermitteln.
Die Analyse zur Lage in Venezuela muss aus Platzgründen auf die nächste Arbeiterstimme verschoben werden.
Die Aufarbeitung der Kommunal- und Regionalwahlen 2024 in Chile liefert seltene Einblicke in die dortige politische Situation.
Abschließend rezensiert Georg Auernheimer die Monographie von Nicolai Petro mit dem Titel „The Tragedy of Ukraine“ unter besonderer Berücksichtigung der Rolle faschistischer und rechtsradikaler Kräfte in diesem Land. Wir bedanken uns für die freundliche Überlassung.
Die Zeiten werden für alle härter. Das trifft auch auf uns und unsere Zeitschrift, die Arbeiterstimme, zu. Wir geben nicht auf, aber wir sind nach wie vor auf Spenden angewiesen. Gebt, was ihr könnt und was euch die sozialistische Stimme im ansonsten traurigen Blätterwald Wert ist.