Unerwartet kam die schlimme Nachricht: Unser langjähriger Freund und Genosse Peter Eberlen ist am 23. August 2009 im Alter von 70 Jahren in München verstorben. Wir waren überrascht und schockiert, hatten wir doch zusammen noch viel vor, was kurzfristige Pläne und langfristige Hoffnungen anbelangt. Peter war gerade dabei, sich an einer Reise nach China zu beteiligen, auch um auf der Jahreskonferenz der Gruppe darüber politische Schlussfolgerungen ziehen zu können. Peter wurde von der Krise des Kapitalismus, wie wir alle, in Atem gehalten und so hatte er erneut dem Drängen nachgegeben, für die Arbeiterstimme in einem Artikel dem Schwindel um die Bad Banks entgegenzutreten. Nun wird wieder einer fehlen, wenn Demonstrationen durch München ziehen, einer, der sich unzählige Male in seinem Leben schon engagiert hatte. Einer, auf den man zählen konnte, beim Kampf gegen die NATO-Kriegspolitik, bei den Auseinandersetzungen um die Rundfunkfreiheit und um das Versammlungsgesetz in Bayern; ganz zu schweigen von den gewerkschaftlichen Aktivitäten und von den Aktionen gegen sozialpolitische Streichungen. Als vor einiger Zeit die Einzelhandelskollegen im Tarifstreit in Bedrängnis kamen, trat er, obwohl in der IG Metall aktiv, an ihre Seite. Für Peter war es immer klar: Solidarität ist keine Einbahnstraße – und Solidarität kann nur im Kampf neu entstehen.

Bei allen schweren politischen Enttäuschungen in seinem Leben, der historischen Niederlage des Sozialismus, den entsetzlichen „Entstellungen“, die aus dem „eigenen Lager“ kamen und bei dem Wissen um die langwierigen Schwierigkeiten bei der Erneuerung einer sozialistischen Bewegung, ist bei ihm nie das revolutionäre Feuer erloschen. Bei allen notwendigen taktischen Kompromissen hat er nie das Große und Ganze und die marxistischen Grundlagen aus dem Blick verloren. Für ihn hatte die Entwicklung von Klassenbewusstsein einen ganz wichtigen Stellenwert. Er überstand auch die böswilligen Unterstellungen jener, die sich selbst Kommunisten nannten, doch an die Stelle der lebenswichtigen Kritik Dogmatismus, Befehl und Gehorsam gesetzt hatten. So war es kein Zufall, dass er entsprechend drängte, das Buch über den Spanischen Bürgerkrieg vor einigen Jahren herauszugeben, das z.B. die wirkliche Rolle der POUM aufzeigt und die stalinistischen Verleumdungen und Verbrechen bloßstellt. Er unterstützte stets auch die einstigen Bemühungen der KPO (Kommunistischen Partei Opposition), die Klärung der Begriffe wie „Einheitsfront“ und „Volksfront“ wieder aufzunehmen.

Es mag etwa 1971 gewesen sein, als Peter mit seiner Partnerin Hilde zur „Gruppe Arbeiterstimme“ Verbindung aufnahm. Beide arbeiteten aktiv in der IG Metall, Hilde als Betriebsrätin und Peter als Vertrauensmann bei Siemens. Beide waren kritische Gewerkschafter und sie hatten allen Grund dazu. Die APO und Teile der Gesellschaft waren damals noch in Bewegung. Zwischen Gewerkschaftskritik und Gewerkschaftsfeindlichkeit war bei vielen nur ein schmaler Grat. Ihn zu beschreiten, waren sich die Gruppe und die beiden bald einig. Peter wurde darin vor allem von älteren Bremer Gewerkschaftern, dem Kreis um Schorse Stockmann, gestärkt. Hilde und Peter waren in der Basisarbeit stark verankert. Über viele Jahre hinweg hat Peter zusammen mit anderen die Stadtteilarbeit getragen und sie mit Hilfe der Westend Nachrichten untermauert. Die Interessenvertretung der „kleinen Leute“ war ihnen Herzenssache. Über die Einschätzung der aufkommenden Bürgerinitiativen der siebziger Jahre gab es in der Gruppe heiße Diskussionen, da sie unser Selbstverständnis berührten.

Im Laufe der Zeit näherten sich Hilde und Peter unseren diesbezüglichen Standpunkten immer mehr an. Wir bestanden zusammen die Krise der linken Gruppen, als alle Hoffnungen auf eine auch von uns angestrebte innere Erneuerung des Sozialismus keine Grundlage mehr hatte. Der natürliche Schrumpfungsprozess der Gruppen, der daraufhin einsetzte, machte auch unserer Gruppe schwer zu schaffen. Was wir dringend nötig hatten, war die stärkere Mitarbeit engagierter und theoretisch wie praktisch beschlagener Genossinnen und Genossen. Peter wusste, dass er gefordert war und er handelte. In Referaten bei Konferenzen, Veranstaltungen und in vielen Artikeln der Arbeiterstimme konnte er nun über viele Jahre besonders seine betriebs- und gewerkschaftspolitischen Kenntnisse einbringen und beitragen, die Grundlagen der marxistischen Ökonomie zu verbreiten. Viele Leitartikel, wie zuletzt „Hilflos gegen die Krise“, stammten aus seiner Feder. Die praktische Herausgabe unserer Quartalszeitschrift war immer die Aufgabe vieler Gruppenmitglieder. Peter las Korrektur und war sehr genau. Peters Interesse für Geschichte war groß, besonders das für die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung und für die der widersprüchlichen Entwicklung des Sozialismus. In seiner Besonnenheit, Beharrlichkeit und Zähigkeit war er Vorbild. Er brauchte, wie wir alle, großes Durchhaltevermögen.

Die Gruppe, in der Tradition und im Selbstverständnis der KPO stehend, war vorgewarnt, wohin stalinistische Diktaturmethoden führen können. Und doch konnten wir uns das Ausmaß der Pervertierung des Sozialismus nicht vorstellen, woran der Sozialismus letzten Endes dann zerbrochen ist.

Alles schien auf den Kopf gestellt. Im Sozialismus sollte es doch keine Herrscher und Beherrschten mehr geben. Ist es nicht nach Marx der kategorische Imperativ der Kommunisten, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist?“ Die Wirklichkeit sah ganz anders aus: Zehntausende Kommunisten wurden durch die Stalinisten verfolgt, gefoltert oder umgebracht; darunter der größte Teil der Führungsschicht.

Auch in Gruppen wie der Arbei­terstimme, wo nach den Ursachen der Deformation geforscht wurde, zeigten sich die Folgen der Enthüllungen und des Niedergangs. Austritte, Inaktivität und Verwirrung stellten sich ein. Welch einer Überzeugung und Standhaftigkeit bedurfte es, trotz allem seiner marxistischen Weltanschauung treu zu bleiben und einem Neubeginn wiederum seine Kraft zu opfern. Peter, einer der wenigen noch Vorhandenen, die der Gruppe seit der Gründungszeit Anfang der siebziger Jahre angehörten, gehörte dazu. Er wusste, gerade jetzt in der größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit 1929, muss der Kapitalismus sein wahres Gesicht zeigen. Es kam darauf an, die systembedingten Widersprüche an den Pranger zu stellen und letztlich wieder den Sozialismus als Alternative zu propagieren, in Zusammenarbeit mit anderen Gruppen.

Es war ihm stets wichtig, neben der praktischen Arbeit im Münchner Stadtteil Westend, in der Gewerkschaft, im Freidenkerverband oder auch schon mal hinter dem Infostand der Roten Hilfe die theoretische Bildung der jüngeren Genossinnen und Genossen zu unterstützen und beharrlich auf die Notwendigkeit der Aneignung der marxistischen Theorie hinzuweisen. Obwohl es ihm manchmal sehr schwer fiel, mit dem „lockeren“ Umgang der Jüngeren mit Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit umzugehen, hatte er sich zu einer neuen Kapitalschulung entschlossen. Weil es notwendig war.

Vor Peter wären noch viele Aufgaben gestanden. Leider kam der Tod dazwischen. Es sagt sich so leicht: „Jeder Mensch ist zu ersetzen“, aber leider stimmt das sehr oft nicht. Wissen und Weisheit eines langen politischen Lebens lassen sich nicht herbeizaubern, die vielen Erfahrungen erst recht nicht nachholen. Wir müssen versuchen, ihn zu ersetzen, dort wo die Voraussetzungen vorhanden sind oder wo wir durch Lernen und Vermehrung unserer Aktivitäten diese Voraussetzungen selbst schaffen können. Das muß nun in dieser traurigen Stunde der Auftrag für uns sein.

Mit Peter haben wir viel verloren, als Menschen, als politischen Kopf, als Mitstreiter der „Gruppe Arbeiterstimme“ und der Linken allgemein, als unermüdlichen Kämpfer in der Arbeiterbewegung, der stets mit wachem Kopf und zugleich mit großer Besonnenheit da mitgewirkt hat, wo es um soziale Belange und um die stets bedrohte Freiheit des Geistes ging.
Darin war er uns Vorbild und er hat uns beeinflusst. Dafür danken wir ihm.