2012 erschien das Buch „Befreiung vom Überfluss“ von Niko Paech. Es entwickelte sich zu einer Art Bestseller und erlebte 2019 bereits die 11. Auflage. Es ist ein kleines Buch mit ca. 150 Seiten. Niko Paech ist Ökonom und sein Buch hat den Untertitel „Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie“. Trotzdem spielen darin ökonomische Fragen im engeren Sinn kaum eine Rolle. Es ist vielmehr eine engagierte, man könnte auch sagen wütende, Streitschrift und vertritt im wesentlichen 3 Thesen:

  • „Unser ohne Wachstum nicht zu stabilisierender Wohlstand ist das Resultat einer umfassenden ökologischen Plünderung. Versuche die vielen materiellen Errungenschaften einer Abfolge von Effizienzfortschritten oder anderweitiger menschlicher Schaffenskraft zuzuschreiben, beruhen auf einer Selbsttäuschung.“ ...“Demnach leben die Menschen in modernen Konsumgesellschaften in dreifacher Weise über ihre Verhältnisse; sie eignen sich Dinge an, die in keinen Verhältnis zu ihrer eigenen Leistungsfähigkeit stehen. Sie entgrenzen ihren Bedarf erstens von den gegenwärtigen Möglichkeiten, zweitens von den eigenen körperlichen Fähigkeiten und drittens von den lokal oder regional vorhandenen Ressourcen.“

  • „Jegliche Anstrengungen, wirtschaftliches Wachstum durch technische Innovationen von ökologischen Schäden zu entkoppeln, sind bestenfalls zum Scheitern verurteilt.“

  • „Das Alternativprogramm einer Postwachstumsökonomie würde zwar auf eine drastische Reduktion der industriellen Produktion hinauslaufen, aber erstens die ökonomische Stabilität der Versorgung (Resilienz) stärken und zweitens keine Verzichtsleistung darstellen, sondern sogar die Aussicht auf mehr Glück eröffnen“ (alle Zitate auf Seiten 10 und 11).

Paech bringt viele typische ökologische Argumente, beklagt die „Plünderung der Natur“, verweist auf Rebound-Effekte, kritisiert das Konsumverhalten usw.. Mit Blick auf das heutige Konsumniveau plädiert er für Weglassen und Suffizienz (Genügsamkeit). Nach Paech „...ruht das Fundament eine Postwachstumsökonomie auf einer Theorie der Subsistenz und Suffizienz, ...“ (S 114). Weitere für ihn typische Formulierungen sind: „Weniger ist mehr“,„Wohlstandsballast abwerfen“, „Reizüberflutung vermeiden“, „Zeitsouverenität gewinnen“ sowie ein Plädoyer für die „Eigenproduktion (z.B. Nahrung, Handwerk, Erziehung)“.

Seine Vorschläge für eine Postwachstumsökonomie beinhalten vor allem weniger Neuproduktion und mehr Reparatur, die Regionalisierung der Produktion (er plädiert auch für regionale Komplementärwährungen) sowie Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit auf ca. 20 Stunden, um Zeit für Eigenproduktion zu gewinnen. Paech macht klar, dass seine Vorschläge auf eine erhebliche Reduzierung des gegenwärtigen Produktionsniveaus hinauslaufen würden. Aber ein Rest von industrieller Produktion soll erhalten bleiben (siehe S 131).

Sehr wichtig ist ihm die Resilienz, also die Stabilität und Widerstandsfähigkeit gegen äußere Schocks. Das wird im Buch immer wieder betont. Auch deshalb werden lokale oder regionale Produktion und kurze Lieferketten befürwortet.

Den Schlüssel für eine Veränderung der Verhältnisse sieht er bei den einzelnen Menschen, bei den Subjekten, diese sollen ihr Verhalten, ihren Lebensstil ändern (siehe S 97 ff). Eine Differenzierung der Individuen nach verschiedenen Lebenslagen findet man nicht und schon gar nicht so etwas wie die Unterscheidung von Klassen mit unterschiedlichen Interessen. Paech listet zwar auch etliche Vorschläge für eine Postwachstumspolitik auf (S 134 ff), insgesamt ist er aber gegenüber den Möglichkeiten der Politik skeptisch. Er schreibt (S 139/140) „... dürfte eine Postwachstumsökonomie jeden politischen Akteur überfordern, solange die Systemlogik zeitgenössischer Konsumdemokratien durch einen Überbietungswettbewerb in Bezug auf weitere Freiheits- und Wohlstandsversprechungen gekennzeichnet ist. Dementsprechend hat das Festhalten an der sogenannten Macht- oder Systemfrage bisher nur in eine Sackgasse geführt.“ Paech setzt auf die Individuen, erst wenn diese die Bereitschaft und die Fähigkeit zur Veränderung ihres Lebensstils durch entsprechende Taten glaubwürdig zu erkennen geben, könne auch die Politik in Richtung einer Postwachstumsgesellschaft folgen.

In der Argumentation von Paech ist des öfteren ein Schwanken zwischen großer Radikalität und eher kleineren Verbesserungsvorschlägen festzustellen. Ein Beispiel dazu. Er plädiert für die gemeinschaftliche Nutzung von Gütern (S 120). „Objekte wie Autos, Waschmaschinen, Gemeinschaftsräume, Gärten, Winkelschleifer, Digitalkameras etc. sind auf unterschiedliche Weise einer Nutzungsintensivierung zugänglich.“ Selbstverständlich ist dagegen nichts einzuwenden, aber wie ist das mit den Autos ? Einige Seiten vorher wurde noch erklärt wie schädlich die immens gesteigerte Mobilität ist, und dass Elektroautos auch keine ökologische Lösung sind. Vermutlich erklärt sich das Schwanken aus seiner Subjektorientierung. Die radikalen Veränderungen sind das, was er eigentlich will. Die vorsichtigen, kleineren Vorschläge sind die Brücke, die er für die Individuen baut, in der Hoffnung, dass sie diese betreten mögen.

Speziell sind Paechs Ansichten zu Arbeit, Arbeitskraft, Produktivkräfte, Wissenschaft und Technik. Für ihn scheint eine Tätigkeit nur Arbeit zu sein, wenn sie körperlich anstrengend ist und/oder eine handwerkliche Geschicklichkeit erfordert. Er sieht zwar (S 45) „... der Produktionsfaktor Mensch ... plant, steuert, designt, koordiniert, kommuniziert oder gestaltet Informations- und Geldflüsse.“ Solches gilt ihm aber nur als simulierte Arbeit. Der Begriff „simulierte Arbeit“ ist eine Spezialität von Niko Paech. „Simulierte Arbeit“ oder „Simulation eigener Leistungsfähigkeit“ ist demnach insbesondere alles, was mit Einsatz von Maschinen, Geräten, Computern etc. verbunden ist. Maschinen, groß oder klein, nennt er Energiesklaven. Er sieht bei Maschinen nur die Tatsache, dass bei ihrer Herstellung Rohstoffe und Energie verbraucht werden und und zu ihrem Betrieb weitere Energie notwendig ist. Dass sie auch geronnene Arbeitskraft und Wissen, z.B. in Form von eingeflossenen Ingenieurleistungen, sind, nimmt er nicht zur Kenntnis oder hält es für irrelevant. Gegen den Begriff Wissensgesellschaft polemisiert er so (S 54): „Bis heute existiert kein Auto oder Flugzeug, das sich mit flüssigen Wissen anstelle von Benzin bzw. Kerosin auftanken lässt.“ So ganz ohne Wissen, nur durch Abfackeln von Kerosin, funktioniert der Bau oder Betrieb eines Flugzeugs aber auch nicht. Es bringt nichts wenn man einen, sicher nicht unproblematischen, Begriff wie Wissensgesellschaft, durch eine noch viel problematischere, um nicht zu sagen hanebüchene, Argumentation ersetzen will. Paechs Ausführungen zur Arbeit und zu den Produktivkräften sind ziemlich wirr und tragen nicht dazu bei, den Zusammenhang von Ökonomie und Ökologie zu verstehen, sowohl was die Analyse der gegenwärtigen Verhältnisse betrifft, als auch in Hinsicht auf zukünftige Veränderungen.

Nach der Lektüre fragt man sich, warum ausgerechnet dieses Buch ein Erfolg geworden ist. Paech argumentiert engagiert, aber unsystematisch. Zugespitzt könnte man sagen: Alles was richtig dargestellt ist, findet man auch in anderen Büchern zum Thema. Dort wo das Buch originell ist, ist es auch besonders problematisch.

 

Literatur:

Niko Paech, Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie, München 2012