Die Amtszeit Pedro Castillos und sein Sturz
Die 16 Monate, in denen Castillo Peru regierte, waren von zwei Konstanten geprägt: der Unfähigkeit des Präsidenten und der permanente Kampf der Kongressmehrheit gegen ihn. Die Sabotage an seiner Regierungsarbeit überstieg alles, was man in der Regel aus Ländern mit einer ähnlichen politischen Konstellation kennt.
Als erstes wurde der Außenminister, Héctor Béjar, abgeschossen. Er war einer der Guerilleros der 1960er Jahre. Seine Freiheit erlangte er nach einer Amnestie der Militärregierung unter Velasco Alvarado zurück. Der Rechtsanwalt und Doktor der Soziologie bekleidete Professuren an den beiden angesehensten Universitäten des Landes, der staatlichen UNMSM und der katholischen PUCP.1 Als gewählter Delegierter wirkte er auch an der Verfassung von 1979 mit.
Nach nur drei Wochen im Amt wurde ein mehrere Monate altes Interview ausgegraben. Dort hatte er sich so geäußert: “Den Terrorismus in Peru initiierte die Marine, das lässt sich historisch belegen, und sie wurden dafür von der CIA ausgebildet.”2 Das ergänzte er mit seiner Überzeugung, die sich nicht beweisen lässt, “dass Sendero Luminoso zum großen Teil eine Kreation der CIA und der Geheimdienste” war.3
Wie nicht anders zu erwarten, löste das einen Sturm der Empörung aus. Wie von der Tarantel gestochen reagierte die Kriegsmarine. “Es stellt einen Affront gegen die Männer und Frauen dar, die gegen die terroristischen Verbrechen gekämpft haben und noch kämpfen, gegen die Witwen, Waisen und Hinterbliebenen, die Opfer dieser verdammenswerten Aktion geworden sind, sowie gegen alle Männer und Frauen, die unsere 200-jährige Institution ausmachen.”4 Der öffentliche Druck war am Ende so groß, dass er nach nur 19 Tagen im Amt um seine Entlassung bat.5
Héctor Béjar hat im Februar dieses Jahres auf seinem Blog eine lesenswerte Beschreibung der Regierung Castillo veröffentlicht. Unter der Überschrift “Nichts hier, nichts dort / Um Pedro Castillo zu verstehen … oder seine Verleumder” schildert er dessen ländliche Herkunft, wie er als Anführer des Lehrerstreiks sowohl die Regierung als auch die SUTEP in Schwierigkeiten gebracht hat, wie er im Wahlkampf die Dörfer besuchte und die Landbevölkerung sich in ihm wiedererkannte. Wie er in der Stichwahl die Tochter des Exdiktators besiegte, gegen die wegen Geldwäsche ermittelt wird.
Pedro Castillo in seiner Küche
"Das unerwartete Erscheinen dieser andinen Person, … , löste bei der Mittel- und Oberschicht Alarm aus. Die Rechte sagte das gleiche wie immer: Er ist ein Terrorist, ein Kommunist und er wird uns in ein Kuba oder Venezuela verwandeln. Die gemäßigte Linke von Verónica Mendoza runzelte die Stirn und stellte [vor der Stichwahl, E.B.] Bedingungen: Dass er sich zum Feministen und Freund der LGBT-Gemeinschaft erklärt. Dass er versichert, uns nicht zu einem Venezuela zu machen. (Seit einiger Zeit gesteht eine gewisse peruanische Linke zu, dass Venezuela eine Diktatur sei.) Verónica Mendoza, die Kandidatin der offiziellen Linken, gratulierte diesem Eindringling [nach der ersten Runde, E.B.] nicht, der ihr ihren möglichen Sieg ruinierte. Keiko auch nicht. Fujimori behauptete einen Betrug und akzeptierte die Ergebnisse nicht. Verónica und ihre Gruppe Juntos por el Perú sind jetzt Verbündete von Castillo und hatten bis vor wenigen Wochen Minister in der Exekutive. Aber sie brachen mit ihm, als Castillo von Opportunisten und Schmarotzern umgeben war, zu einer Zeit, als der Druck durch die Ultrarechte zunahm.
Viele Angriffe auf Castillo, auch die von Links, sind offen rassistisch. Trotz der Tatsache, dass Castillo ein Kandidat von Peru Libre war, einer Partei, die sich selbst als marxistisch und mariateguistisch (Von Mariátegui, dem Begründer des peruanischen Sozialismus) definiert, hat er häufig dem Vorwurf widersprochen, Kommunist oder Marxist zu sein, er bekannte sich zur Marktwirtschaft und privaten Investitionen. Niemand weiß, ob er es aus Überzeugung oder aus Angst vor der grausamen peruanischen Rechten sagt."6
Die Person Castillos beschreibt er folgendermaßen: “Als Mann aus den unteren Schichten zeigt Castillo die Tugenden und Mängel eines Volkes, das fünfhundert Jahre [Fremd-] Herrschaft und fünfzig Jahre Neoliberalismus erdulden musste. Und das bedeutet Unwissenheit über das Weltgeschehen, geringes Wissen über Peru, große Unsicherheit gegenüber den Mächtigen und ein gewisses Fehlen von Tugenden und Werten, sowie die Angewohnheit der Vetternwirtschaft und der Minikorruption, die eben doch Korruption ist.”
Laut Béjar ist während der Regierung Castillo nichts Erwähnenswertes passiert. Ausnahmen sind “die Impfungen, organisiert von Cevallos, dem jetzt ehemaligen Gesundheitsminister von Juntos por el Perú, er wurde aus unerklärlichen Gründen zusammen mit anderen linken Ministern entlassen.” Er führt auch die Argumente der Anhänger Castillos an. Danach gehört zu den Erfolgen dieser Regierung "die Weigerung, rechte Zeitungen und Fernsehsender mit Staatsgeldern zu finanzieren, wie es frühere Regierungen taten. Und mindestens während der letzten 18 Monate sind die Basisorganisationen nicht mehr unterdrückt und es ist auch nicht mehr auf sie geschossen worden, wie es bei früheren Regierungen üblich war, wenn Basisproteste stattfanden.
Die Staatsanwaltschaft begann gegen ihn wegen Korruption zu ermitteln, es erschienen Kriminelle und behaupteten, sie hätten ihn indirekt über seine Mitarbeiter bestochen, die Staatsanwälte gingen bis zum Äußersten und durchsuchten das Schlafzimmer des Präsidenten im Regierungspalast, systematisch wurde den Ministern das Misstrauen ausgesprochen, manchmal begründet und manchmal nicht."
Die Sozialfaschismustheorie lebt
In Peru sind erfolgreiche Misstrauensabstimmungen der erste Schritt zur Ministerentlassung. Auf Grund solcher Voten oder von nicht nachvollziehbaren Entscheidungen des Präsidenten wurden am laufenden Band Regierungsmitglieder ausgetauscht. Mit diesem Chaos hatte Vladimir Cerrón, der Vorsitzende von Perú Libre, keine Probleme. Aus seiner Sicht ist ein Teil der Linken, und nicht die Ultrarechte, der Hauptgegner. Doch lassen wir ihn selbst zu Wort kommen. Im August letzten Jahres hat sich Carlos Noriega von der angesehenen argentinischen Tageszeitung Pagina 12 mit ihm unterhalten. Im Folgenden das Wichtigste aus dem Bericht des Journalisten:
"Von Seiten des Kongresses droht die Übernahme der Regierung durch die Ultrarechte wegen der Absetzung Castillos, aber für Cerrón ist dieses Risiko »bedeutend, aber es ist nicht die Hauptgefahr«. Mehrmals wiederholt er, dass »die Hauptgefahr, die größte Bedrohung von Kaviar ausgeht«. »Kaviar« ist ein Begriff, der von der Rechten verwendet wird, um die Fortschrittlichen zu diskreditieren. Für Cerrón sind die Kaviarlinken »Personen, die eine linke Sprache verwenden, aber wie Großkapitalisten leben, die in den von den USA finanzierten NGOs arbeiten«. Cerrón griff von Anfang an Castillos fortschrittliche Verbündete an, die vor einigen Monaten die Regierung verlassen haben. Perú Libre stimmte bei den Angriffen auf den Progressismus mit der extremen Rechten überein.
Vladimir Cerrón, Vorsitzende von Perú Libre Verónika Mendoza, Kandidatin des Juntos por el Perú
Spielen Sie nicht das Spiel der Ultrarechten, wenn Sie andere Sektoren der Linken bekämpfen? »Ich glaube nicht, dass wir deren Spiel spielen. Wir haben kein Bündnis mit der extremen Rechten, was es gibt, ist eine spontane Anti-Kaviar- Übereinstimmung. Wir stimmen überein, weil wir einen gemeinsamen Feind bekämpfen, das ist die Kaviar-Linke, die Sozialdemokratie. Ich kann kein Bündnis mit den NGO-Verbündeten von USAID eingehen. Wir können mit dem Fujimorismus und anderen übereinstimmen, aber mit der Kaviar-Linken nicht, sie sind unser Hauptfeind. Die Kaviar-Linken sind für uns die Hauptbedrohung, ein gefährlicherer Feind als die neofaschistische Ultrarechte.“7
Wie der Fortgang der Geschichte zeigte, führt auch die andine Version der Sozialfaschismustheorie in die Niederlage. Für die Arbeiter und kleinen Bauern brachte der Sturz Castillos keine Verbesserungen. Dass solche kruden Einstellungen dennoch ihre Anhänger finden, liegt in der sozialen Realität der Menschen. Dafür muss man nur Verónika Mendoza mit Pedro Castillo vergleichen.
Hier eine Psychologin, die von ihrer Mutter die französische Staatsbürgerschaft geerbt hat. Wegen dieser Verbindungen nach Europa konnte sie an zwei Pariser Universitäten studieren8 9. In Peru genießt sie einen Lebensstandard, der dem der europäischen Mittelschicht nahekommt.
Dort ein armer Lehrer, der sich nur mit seiner Nebenerwerbslandwirtschaft über Wasser halten konnte. In seiner Küche wird wie seit Jahrhunderten am offenen Feuer gekocht. Diese Lebensumstände und die daraus folgenden Einstellungen sind der Grund, warum “die Landbevölkerung sich in ihm wiedererkannte”.
Wie sollten sie eine Person wie Mendoza nicht als Eindringling in ihre Welt betrachten? Im Wahlkampf hat sie sich auch in andiner Kleidung gezeigt. Wenn ihre Basis Themen wie LGBT+ in den Vordergrund rückt, ist der kulturelle Unterschied zu ihr wesentlich größer als der zur Rechten.
Solche Unterschiede lassen sich nur mit einem entsprechenden Bewusstsein überwinden. Das muss aber von den Intellektuellen beider Seiten aktiv geschaffen werden. Eigentlich ist das die Aufgabe von linken Parteien.
Möglicherweise verstecken sich hinter dem Kampf gegen “Kaviar” auch nur extremistische Vorstellungen des Indigenismus. In anderen lateinamerikanischen Ländern findet man unter den Ureinwohnern politische Strömungen, die sich weigern, mit Weißen und Mestizen zusammenzuarbeiten. Sie träumen davon, dass diese Menschen nach Europa zurückgehen, schließlich sei dort ihre Heimat. Das richtet sich auch gegen progressive Kräfte. Ein Beispiel dafür ist Ecuador. Dort hat bei der letzten Präsidentschaftswahl der rechte Kandidat nur deshalb den Sieg davongetragen, weil der ausgeschiedene indigenistische Bewerber keinen Wahlaufruf für den moderat linken Kandidaten abgeben wollte. Sowohl Pachakutik (Partei für die Interessen der indigenen Bevölkerung ganz Ecuadors) wie die Bürgerrevolution gelten Wikipedia als links und hatten, zusammenaddiert, im ersten Wahlgang 2/3 der Wähler hinter sich versammelt.10
Auch in Bolivien gibt es diese Spaltung.11 Doch dort unterstützt diese Richtung bei nationalen Wahlen die MAS von Evo Morales. Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass eine Regierung der MAS einen positiven Beitrag zur indigenen Wiedergeburt leisten kann. Doch auf Departementsebene sieht das anders aus. Hier kandidieren sie gegen die MAS. In der 2. Runde erobern sie dann, mit stillschweigender Unterstützung durch die Rechte, die Departementsregierung. So geschehen bei den letzten Regionalwahlen im Departement La Paz. Das ist der Grund, warum die MAS im nationalen Parlament fast 2/3 der Sitze hält, aber nur 1/3 der Departements regiert.
Doch zurück nach Peru. Schon im dritten Monat der Regierung Castillo zerbrach die Fraktion von Perú Libre wegen unterschiedlicher Ansichten über die Zusammensetzung seines zweiten Kabinetts. Die neue Präsidentin des Ministerrates wurde Mirtha Vásquez von der Frente Amplio. Cerrón und fast die Hälfte seiner Fraktion lehnten dieses Kabinett ab.12
Das steht im Einklang mit ihrer Haltung zu “Kaviar”. Vásquez hat einen ähnlichen Hintergrund wie Cerrón. Beide sind Intellektuelle aus der Provinz, aber sie ist in der falschen Partei. So wurde sie auch von “Links” bekämpft und nach nur vier Monaten im Amt bat sie um ihre Entlassung.13
Mirtha Vásquez (rechts)
In diesem Stil ging es weiter. Dabei zerlegte sich die Fraktion von Perú Libre immer weiter. Ihre Dissidenten gründeten, auch mit Parlamentariern von weiter rechts stehenden Parteien, neue Fraktionen. Darunter gibt es auch ein Kuriosum wie eine Lehrerfraktion, den Bloque Magisterial. Von den ursprünglich 37 Sitzen sind Perú Libre 15 geblieben.
Zu diesem Chaos gesellte sich die Sabotage durch das Parlament. Es führte wahre Eiertänze auf, nur um Ministern nicht das Vertrauen aussprechen zu müssen. Dem Präsidenten wurden Auslandsreisen verweigert, sofern sie nicht im Interesse der USA waren. Nur deshalb durfte Castillo zum Amerikagipfel nach Los Angeles. Auch versuchte man Äußerungen von ihm zum Hochverrat zu stilisieren.
An die Umsetzung seiner Wahlversprechen war nicht zu denken. Das wichtigste Projekt hieß Verfassungsgebende Versammlung. Die Rechte legte Wert auf die Feststellung, dass die Konstitution nur durch das Parlament geändert werden darf. Einem Gesetz, das den Weg zu einem neuen Grundgesetz öffnet, werde man niemals zustimmen.
Doch Castillo hat nicht einmal das Mögliche versucht. Regelmäßig fand sich in Medien wie Diario Uno der Vorwurf, dass er nicht auf bolivianische Art regiere. Dort wurden von Evo Morales Gesetze mit populären Forderungen in den Kongress eingebracht, die aber nicht im Sinne der Rechten waren. Zur Unterstützung dieser Initiativen mobilisierte er dann die Bevölkerung. Das war die Basis seiner erfolgreichen Politik zu einer Zeit, als die MAS noch über keine parlamentarische Mehrheit verfügte.
In Peru wollte die Mehrheit des Kongresses den Präsidenten mittels Amtsenthebungsverfahren loswerden. Begründet wurde das mit einer moralischen Unfähigkeit Castillos. Diese Versuche scheiterten, weil die erforderliche 2/3-Mehrheit (87 von 130 Abgeordneten) verfehlt wurde. Diese fortwährende Obstruktion der Regierungsarbeit durch die Parlamentarier hat dazu geführt, dass nach dem 7. Dezember selbst Menschen aus der politischen Mitte entschuldigend sagten: “Man hat ihn ja nicht machen lassen.”
Diese politischen Auseinandersetzungen finden in einem Umfeld statt, in dem fast kein Tag ohne Meldungen aus dem Bereich der Korruption bzw. Korruptionsbekämpfung vergeht. Es gibt zahllose Fälle, von denen Lava Jato des brasilianischen Baukonzerns Odebrecht nur der bekannteste ist. Diese Firma hat in Lateinamerika zahllose Politiker bestochen, um an Aufträge zu gelangen. Jetzt müssen die Verantwortlichen dieser Firma nur auf jemanden zeigen und behaupten, dass sie ihm Geld gegeben haben. Damit ist diese Person erledigt. Weitere Beweise werden dann nicht mehr verlangt.
Auch im Umfeld Castillos ist es zu Fällen von Korruption gekommen. So wurde z.B. im Büro eines Ministers ein Koffer voller Geld gefunden. Auch gegen Verwandte des Präsidenten laufen Ermittlungen. Nur gegen ihn selbst hat man bisher nichts Überzeugendes vorgebracht. Aus der Ferne kann nicht beurteilt werden, ob an den Vorwürfen etwas dran ist. Genauso gut kann es sich um Konstruktionen des politischen Gegners handeln. Das inzwischen klassische Beispiel ist der Fall Lula in Brasilien.
Putschversuch und Gegenputsch
In diesem Umfeld war für den 7. Dezember die Abstimmung über den dritten Antrag auf Amtsenthebung angesetzt. Das Scheitern der vorausgegangenen hatte zwei Gründe. Die Vizepräsidentin Dina Boluarte hatte Castillos Basis versprochen, im Falle seiner Absetzung selbst zurückzutreten. So ein Schritt löst in Peru sofort allgemeine Wahlen aus. Abgeordnete dürfen dort nicht zweimal hintereinander kandidieren. Die aktiven Parlamentarier hätten sich bei einem Ja um ihren Arbeitsplatz gebracht. Damit wären ihnen auch alle Einkünfte entgangen, die sie bis zum regulären Ende ihrer Amtszeit erwarten durften. Offensichtlich wollten das einige nicht. Deshalb wurde Castillo nicht abgesetzt, obwohl das Mitte-Rechts-Lager mehr als die notwendigen 87 Vertreter stellt.
Ein weiterer Grund war die Befürchtung, dass nach Castillos Absetzung das Hinterland explodiert. Die Proteste in den Monaten nach seiner Absetzung zeigen, dass das nicht aus der Luft gegriffen war.
Doch diesmal lagen die Dinge andres. Das zeigt eine Weichenstellung einige Tage früher. Die Rechte stoppte ein Amtsenthebungsverfahren gegen die Vizepräsidentin. Doch das wurde nicht als Zeichen des Überlaufens von Boluarte zur Rechten erkannt. Am Ende war das aber der entscheidende Schachzug beim Kampf um die Regierung. Daher kann man sagen, dass der Putsch von langer Hand vorbereitet war. Der Verrat Boluartes war nicht die Folge von Castillos Versuchs eines Selbstputsches.
Boluarte ist eine Anwältin, die bis zu ihrem Einstieg in die große Politik eine Zweigstelle der Meldebehörde leitete. In der Vergangenheit kandidierte sie schon erfolglos für untergeordnete Wahlämter. Perú Libre hatte sie Castillo an die Seite gestellt, um damit der Kritik an ihren familienpolitischen Positionen die Spitze zu nehmen. Der Öffentlichkeit beschrieb sie sich so: “Ich bin aus Apurímac und Mutter von zwei Kindern, eine beruflich kompetente Person, verpflichtet der echten Freiheit und Demokratie in einem Land mit Gleichheit.”14
Doch zurück zum 7. Dezember. Die Abstimmung war für den Nachmittag angesetzt. Am Vormittag erklärte der Präsident in einer Rede an die Nation, dass er den Kongress auflöse, um so bald wie möglich Neuwahlen durchzuführen. Bis dahin würde er per Dekret regieren. Zudem verkündete er eine landesweite Ausgangssperre.15 Das waren die Worte eines Putschisten, nur fehlte ihm die militärische Macht an seiner Seite. Alberto Fujimori hatte bei seinem Selbstputsch zuerst die Schaltstellen der Macht besetzen lassen und sich dann an die Bevölkerung gewandt.16 Daher war Castillos Ansprache bestenfalls die Simulation eines Staatsstreiches.